Haan Möhnen lassen den Bürgermeister warten

Haan · Eine halbe Stunde dauerte es, bis die jecken Weiber den Bürgermeister endlich um seinen Schlüssel erleichterten.

Haan: Das war der Rathaussturm 2015
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Der Rathaussturm 2015 in Haan

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Bürgermeister Knut vom Bovert versteht die Welt nicht mehr. Da hat er Dutzende von Möhnen gebützt, ihnen zur Besänftigung kleine Fläschchen hochprozentigen "Butzelmann" überreicht, er schunkelt und singt - und nun sowas.

Die närrischen Frauen wollen ihm einfach nicht den Rathausschlüssel abnehmen. Den hat er traditionsgemäß unter seiner Verkleidung versteckt - diesmal eine Piloten-Uniform. Es hätte nur einer kurzen Leibesvisitation bedurft, dann wäre der Schlüssel entdeckt, und die Närrinnen könnten die Regentschaft im Rathaus übernehmen. Einige Möhnen gehen zwar auf Tuchfühlung und lassen sich mit dem Bürgermeister per Handy fotografieren. Doch auch eine halbe Stunde nach dem Rathausssturm hat er immer noch den Schlüssel. Vom Bovert schaut auf die Uhr: "Die Möhnen sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Ich habe noch Termine", sagt er und grinst.

Anderthalb Stunden zuvor. Die Möhnen feiern sich in der Gaststätte "Vici's" warm. Es gibt belegte Brötchen und Kaffee, angestoßen wird mit Rotkäppchen-Sekt. "Das machen wir über 20 Jahre schon so", sagt Vici's-Wirtin Katja Simovic-Müller. Ihre Mutter Silvia Simovic hatte die Aktion ins Leben gerufen. "Hier war ja sonst nichts los", sagt sie. Seither treffen sich an Weiberfastnacht bis zu 50 Möhnen, um das historische Rathaus in Haan zu erobern. Mal sind sie Nonnen, mal Piraten oder Micky-Mäuse, diesmal treten sie als alte Weiber auf. "Das Motto klären wir auf der Haaner Kirmes", erzählt Birgit Dettki und stößt mit ihren Freundinnen an. Die sehen mit ihren Perücken und ins Gesicht gemalten Falten gleich - naja, nix Falsches sagen - 50 Jahre älter aus.

Altweiber 2017 in Haan: Feier im Rathaus
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Jecken feiern im Rathaus an Altweiber 2017 in Haan

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Foto: Gökcen Stenzel

Ein paar Schritte weiter warten in der Gaststätte "Magic" ebenfalls die Möhnen auf ihren Einsatz. Angelika Bergmann und Ilka Gotthardt haben sich als Teufelinnen verkleidet. Auch sie sind schon seit 20 Jahren mit dabei und wollen den Tag nicht missen. "Ich habe mir extra Urlaub genommen", sagt Bergmann. Die beiden Haanerinnen sehen wir wieder, als die Möhnen um 11.11 Uhr unter lautem "Helau" die Rathaustreppe hinauflaufen. Doch schon nach kurzer Zeit stehen sie im Stau, denn an der Spitze holt sich jede bei Bürgermeister Knut vom Bovert oder seinen Co-Piloten Klaus Mentrop und Jens Niklaus Bützchen und Butzelmann ab. Das dauert.

Stewardess Karin Kreisköther, im wirklichen Leben Sekretärin des Bürgermeisters, hat alles im Blick. Schon nach kurzer Zeit sind die Wangen Knut vom Boverts von Lippenstift geziert. Was wohl seine Frau Angelika dazu sagt? "Meine Frau sagt dazu, was wärst du für ein Mann, wenn dich nicht auch andere nett finden würden", antwortet er. Klare Kiste.

Im Sitzungssaal des Rathauses, wo sonst ausschweifende Diskussionen stattfinden ("Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen") steht ein Getränkestand bereit. Die von Dutzenden Frauenstimmen gesungene Frage "Wo bleibt unser Altbier?" hat eigentlich keinen Sinn, denn schnell ist jede mit Sekt und Bier versorgt. Ein magischer Moment entsteht, als der DJ das Stück "Rot, rot, rot, so sind die Rosen" auflegt. Eine nach der anderen hakt sich ein, und so wird der Kreis der Schunkelnden immer größer. Der Karneval eint Hippies und die alten Weiber, Indianer und Piraten.

Und endlich, um 11.40 Uhr, fassen sich Inge Schwager und Silvia Simonic ein Herz, durchsuchen Knut vom Bovert und fischen den armlangen Rathausschlüssel unter seinem Sakko hervor. "Helau", rufen alle zufrieden. Knut vom Bovert feiert noch ein wenig mit den Möhnen. Seit zehn Jahren ist er schon auf diese Weise im Einsatz, "und die eine oder andere ist wohl mit mir gealtert", sagt er lachend mit Blick auf die geschminkten Falten.

(RP)
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