Ansichtssache in Remscheid Impfstoff gegen Neiddebatten

Meinung | Remscheid · Mit dem einstimmigen Beschluss für eine Bewerbung um ein auf Remscheider Verhältnisse zugeschnittenes Impf-Modellprojekt zeigt der Rat seinen Willen, bei diesem schwierigen Thema gemeinsam pragmatische Lösungen zu finden.

  HENNING   RÖSER

HENNING RÖSER

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Die Diskussion am Donnerstagabend war kurz und sachlich, die schnelle Vorarbeit der Verwaltung dafür sicher ein wichtiger Faktor.

Remscheid hat ganz sicher kein Problemviertel wie Köln-Chorweiler mit massiv erhöhter Kriminalität, Ghetto-Strukturen und völlig aus dem Rahmen fallenden Infektionszahlen, das eine Sonderbehandlung braucht, um Corona-Brennpunkte zu verhindern. Gleichwohl gibt es auch hier Unterschiede zwischen den Stadtvierteln. Das ergibt sich aus der Bandbreite der Zahlen, die die Stadt vorgelegt hat. In einem Stadtbezirk mit der Inzidenz 34 lebt es sich entspannter als dort, wo viele Menschen nahe beieinander wohnen, wo Familienverbände groß sind und auch noch Sprachbarrieren dazu kommen. Dort sind die Zahlen deutlich höher.

Der Ansatz, diesem Problem mit einer zweigeteilten Impfaktion sowohl in den Industriebetrieben als auch in den Bedarfsgemeinschaften zu begegnen, klingt vielversprechender als ein Impfbus, den man mit ein paar Hundert Spritzen etwa zum Rosenhügel schickt.

Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz hat im Hauptausschuss zu Recht auf die Gefahr hingewiesen, wie schnell man sich beim Thema Impfen „aufs Glatteis“ bewegen kann. Schon jetzt beäugen sich die verschiedenen Gruppen misstrauisch, wird die Impfpriorisierung immer mehr infrage gestellt. Eine alleinerziehende Mutter mit Job im Einzelhandel dürfte sich zu Recht fragen, warum plötzlich eine Wohnung in einem bestimmten Stadtviertel als Vorteil gilt, um schneller an die ersehnte Impfung zu gelangen. Umgekehrt muss es das Ziel der Stadt sein, die Infektionsketten überall im Stadtgebiet schnell zu durchbrechen.

Der Schlüssel für diesen Spagat liegt neben einer klugen Impfstrategie in der Beschaffung ausreichender Impfstoffmengen. Nur so lassen sich Neiddebatten vermeiden. Was jetzt nicht passieren darf, ist, dass das Impfzentrum in Reinshagen seine endlich unter Volldampf fahrende Maschine wieder drosseln muss, weil Impfungen in den Firmen nun Vorrang haben und dafür Impfstoff abgezweigt wird. Nur im Gleichklang entfaltet das Konzept, das noch die Zustimmung der Landesregierung braucht, seine Wirkung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort