Spiritueller Zwischenruf aus Grevenbroich Mütterlich leben

Meinung | Langwaden · Wer der Mutter dankt, sollte darauf achten, nicht einem falschen Mutterbild aufzusitzen. Das meint Pater Bruno Robeck, Prior der Zisterziensermönche aus dem Kloster Langwaden.

 Prior Bruno Robeck aus dem Kloster Langwaden.

Prior Bruno Robeck aus dem Kloster Langwaden.

Foto: Melanie Zanin

Wie wesentlich Eltern für die Kinder sind, zeigt sich besonders in schwierigen Zeiten. Schon in ruhigen Zeiten spielen die Mütter eine zentrale Rolle. Die Väter sind natürlich auch wichtig. Interessant finde ich, dass immer mehr Väter Aufgaben übernehmen, die in früheren Zeiten den Müttern zugeschrieben wurden. Viele Väter entdecken ihre sozusagen mütterlichen Anteile.

Das Mutter-Kind-Verhältnis unterscheidet sich dennoch von allen anderen. Nur zur eigenen Mutter hat jeder Mensch schon vor seiner Geburt engsten Körperkontakt. Das bedeutet jedoch nicht, dass dadurch auf Dauer eine enge positive Bindung zwischen Mutter und Kind entsteht. Und doch verbindet man das Mütterliche mit allem, was Leben hervorbringt, wachsen lässt und hütet. Dieses Urgefühl bricht immer wieder in Gefahrensituationen durch, wenn etwa sterbende Menschen nach ihrer Mutter rufen. Auch jetzt, in der Coronapandemie, sind die Mütter besonders gefordert, wenn die Kinder Trost und Schutz suchen. Und nicht zufällig drückt sich die Zustimmung der Bevölkerung zur Bundeskanzlerin als bewährte Krisenmanagerin im Namen „Mutter Merkel“ aus.

Am Sonntag gab uns der Muttertag Gelegenheit, allen Müttern für ihren Einsatz bewusst zu danken. Wer der Mutter dankt, sollte nur darauf achten, nicht einem falschen Mutterbild aufzusitzen. Frauen dürfen nicht auf die Fähigkeit, Mutter sein zu können, reduziert und in ein altes Rollenbild gedrängt werden. Ebenso dürfen wir nicht in das Verhaltensschema eines Kindes zurückfallen, das in der Mutter den Erfüllungsautomaten seiner eigenen Wünsche und Träume sieht. Wirklich erwachsen gewordene Kinder wissen, dass sie selbst nicht nur Empfangende, sondern auch Gebende sein sollen. Sie wissen, dass sie selbst an der Erfüllung ihrer Wünsche arbeiten müssen und dass nicht alle Träume wahr werden. Auch wenn sie sich immer als Kinder fühlen, solange ihre Eltern leben, wird wahrscheinlich der Tag kommen, an dem sie eine mütterliche und väterliche Sorge für ihre alt gewordenen Eltern spüren.

Mit dem Gedanken, mütterlich zu sein, kann ich mich als Mann gut anfreunden. Dabei hilft mir der erste namentlich erwähnte Erzbischof von Köln. Von ihm weiß man nicht viel mehr als seinen Namen: Maternus – der Mütterliche. Ein Name – ein Programm. Wir Männer sollten uns dieses Programm zu eigen machen und den Frauen den spiegelbildlichen Namen und Auftrag zugestehen: Paterna – die Väterliche. Beide sind keine Gegensätze, sondern zwei Teile eines großen Ganzen.

So lässt sich auch Gott nicht auf das Vatersein eingrenzen. Beim Propheten Jesaja spricht Gott: „Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, ohne Erbarmen sein gegenüber ihrem leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergisst: Ich vergesse dich nicht“ (Jes 49,15). Und: „Wie einen Mann, den seine Mutter tröstet, so tröste ich euch“ (Jes 66,13). Die großen Zisterzienserväter des Mittelalters liebten diese Bibelstellen, weil es für sie selbstverständlich war, mütterliche und weibliche Aspekte in ihre Spiritualität zu integrieren. Mütterlich und väterlich zu sein und gleichzeitig Kind zu bleiben, das staunen und vertrauen kann, wünsche ich uns. Mit solch einem dreidimensionalen Blick werden wir alle kommenden Fragen rund um die Coronapandemie am besten beantworten können.

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