Grevenbroich Nicht verwandt – aber trotzdem Schwestern

Grevenbroich · Christine Dolfen und Wanda Nießen wuchsen bei den selben Pflegeeltern auf. Das verbindet sie lebenslänglich als Schwestern.

 Wanda Nießen (44) und Christine Dolfen (35) sind Schwestern - sie haben die selben Pflegeeltern.

Wanda Nießen (44) und Christine Dolfen (35) sind Schwestern - sie haben die selben Pflegeeltern.

Foto: Valeska von Dolega

Familie ist ein kompliziertes Gespinst. Woraus die Lebens- und Wohngemeinschaft von Eltern und Kindern besteht, lässt sich unterschiedlich beantworten, wie das Beispiel von Christine Dolfen und Wanda Nießen zeigt. „Wir sind Schwestern“, sagen die Frauen voneinander. Dabei ist ihre Verwandtschaft weder auf der DNA hinterlegt noch sind sie Adoptivgeschwister, sondern Nennschwestern: beide sind als Pflegekinder zur selben Familie gekommen.

„Dafür danke ich Gott“, sagt die inzwischen 44-jährige Wanda noch heute. „Mit 14 Jahren lernte ich das Gefühl kennen, jemandem vertrauen zu können“, sagt sie über die Kennenlernphase mit Martina und Horst Fienitz aus Gustorf, ihren Neu-Eltern. Sich auf jemanden verlassen zu können und sich geborgen zu fühlen, kannte sie bis dahin nicht. Und über das, was in ihrer leiblichen Herkunftsfamilie los war, spricht sie nicht. Dass sie aus dem Vorleben einen bleischweren Rucksack aufgebürdet bekam, ist inzwischen „kein Ding mehr“.

Was nicht nur dem „lebenlänglich guten Verhältnis zu Tina und Horst geschuldet ist“, großen Anteil hat ebenso die Beziehung zu ihrer „Schwester“ Christine Dolfen (35). „Meine Geschichte ist ein bisschen anders“, erinnert sie sich an ihre Wurzeln. Nicht häusliche Gewalt und Übergriffe waren bei ihr der Grund, dass das Jugendamt das Sorgerecht für sie bekam. Nach dem Tod des Vaters wurde die Mutter depressiv, konnte sich nicht länger um ihre Tochter kümmern. „Es war das Beste, was mir passieren konnte“, schwärmt auch sie über den Wechsel zu Martina und Horst Fienetz.. „Wir haben Glück gehabt“, deren „Regeln und Routine haben uns gut geleitet“.

Klar gab es Reibereien, „Grenzen austesten gehört doch für jeden Teenager dazu“, sagen sie beide über nervige Aufgaben im Haushalt, um die sie sich zu drücken versuchten, oder überschrittene Ausgehzeiten mit Freunden. Unvermutet kniffelig wurde es auch, wenn das Jugendamt als Vormund sein Plazet geben musste. „Ich wollte ein Piercing, und hatte Tina schon davon überzeugt“, erinnert sich Christine an eine Situation, in der ihr Vormund nicht zustimmte. Der Eingriff wurde abgelehnt.

„Bei Tina und und Horst waren wir im Herzen angekommen“, beim Rest der Verwandtschaft „nicht immer, aber man kann nicht alles haben“. Auch gegen solche Widrigkeiten stärken sich die beiden noch heute gegenseitg den Rücken, wie sie „überhaupt engen Kontakt“ zueinander, den anderen Pflegegeschwistern – Martina und Horst Fienetz haben im Verlaufe ihres Lebens insgesamt 13 Pflegekinder aufgenommen – und leiblichen Geschwistern pflegen. „An Weihnachten sind wir eine sehr große Runde“, beschreiben die beiden das Familienfest. „Wir kochen nicht mehr, das ist für so viele Leute viel zu aufwendig“, sondern der Lieferservice darf bringen. Beschenkt wird per „Wichtelei“; meist endet das Ganze in einem Spieleabend“.

Vormals negativen Ballast aus alten Zeiten und ihren ursprünglichen Herkunftsfamilien haben die Frauen längst abgelegt. „Egal, was war, in allen Lebenslagen waren wir füreinander da.“ Liebe, Respekt und Verantwortungsbewusstsein sind „die wichtigsten Dinge, die wir in unserem neuen Zuhause gelebt und gelernt haben“. Beide haben eigene Familien gegründet, beide „sind angekommen. Es hätte uns nichts Besseres passieren können, als diese Wahlverwandtschaft.“

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