Lebenserfahrung Mit Sozialpraktikum in die Ferien

goch · Statt eines üblichen Betriebspraktikums gibt es am bischöflichen Gymnasium Gaesdonck in Goch seit vielen Jahren ein verpflichtendes „Sozialpraktikum“. Jugendliche machen Erfahrungen fürs Leben.

 Nina Wegenaer hat ihr Sozialpraktikum im Kesseler Kindergarten geleistet. Vom Elan der Kleinen war sie sehr angetan.

Nina Wegenaer hat ihr Sozialpraktikum im Kesseler Kindergarten geleistet. Vom Elan der Kleinen war sie sehr angetan.

Foto: Anja Settnik

Sie müssen noch nicht wissen, was sie in zwei Jahren tun werden, ob es ein Studium sein soll und wenn ja, welche Fachrichtung. Klar ist aber, dass jemand, der sein Reifezeugnis erhält, grundlegende menschliche Erfahrungen gemacht haben sollte. Weil im behüteten Umfeld einer Schule manches Thema außen vor bleibt, hält es das bischöfliche Gymnasium Gaesdonck für eine gute Idee, die Schüler mal mit unbekannten Situationen zu konfrontieren. Alle Jungen und Mädchen im ersten Jahr der gymnasialen Oberstufe leisten ein „Sozialpraktikum“. Drei Wochen lang arbeiten sie in Kranken- und Pflegeheimen, in Schulen, Behinderteneinrichtungen, Kitas oder sogar Hospizen mit. Nina Wegenaer war Praktikantin im Kindergarten St. Stephanus in Kessel.

„Eigentlich wollte ich das Praktikum an einer Grundschule machen, aber das klappte nicht. Mein zweiter Wunsch war, im Kindergarten zu hospitieren, und das hat mir gut gefallen. Vor allem bin ich überrascht darüber, wie neugierig und wissbegierig kleine Kinder sind.“ Sonja Eberhard, die Leiterin der Einrichtung, Simone Lange als betreuende Lehrerin und Nicole Richter als Gruppenleiterin unterstützten die Praktikantin auch beim Pressegespräch. Mit dabei war Spiritual Cornelius Happel, der mit den jungen Leuten vorab spricht und auch zwischendurch ebenso wie die Lehrer als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Wenn mal Schwierigkeiten auftreten, Erwartungen nicht erfüllt werden oder sich ein Schüler überfordert fühlt, sind die Begleiter zur Stelle. Viel kommt auf die Jugendlichen zu; sie müssen sich öffnen können, sich an ein bis dahin fremdes System anpassen, eigene Bedürfnisse gelegentlich zurückstellen. „Wir muten euch echt was zu“, weiß der Geistliche.

Auch die „Arbeitgeberseite“ muss sich auf Ungewohntes einstellen, meist würden die Gaesdoncker aber sehr gelobt, freut sich Simone Lange. Damit das Miteinander ein harmonisches ist, sei es eben auch wichtig, dass die Schüler mitbestimmen können, wohin sie kommen. „Man darf auch etwas ausschließen“, erklärt die Lehrerin. Zum Beispiel sei es sicherlich nicht jedem jungen Menschen zuzumuten, sich im Hospiz mit dem ganz konkreten Sterben auseinanderzusetzen. Tatsächlich aber gibt es regelmäßig Schüler, die genau diesen Schritt bewusst gehen und damit klar kommen. Zumal Vorurteile dabei zwangsläufig auf den Prüfstand geraten und nicht selten revidiert werden müssen.

Auch der Umstand, als Praktikant plötzlich eine Nebenfigur in einem professionell arbeitenden Team zu sein, ist für die Eigenwahrnehmung interessant. „Dann zählen die persönlichen Qualitäten, und mancher Schüler lernt sich ganz anders kennen, als er sich bisher einschätzte“, sagt Simone Lange.

Zum Abschluss des Praktikums findet eine reflektierendes Gespräch in Kleingruppen statt. Seit dem Vorstellungsgespräch ist bei jedem viel Berichtenswertes geschehen, gespanntes Zuhören der Mitschüler ist garantiert. Jetzt beginnen die Ferien, und danach wird mancher froh sein, dass er es doch erstmal wieder „nur“ mit Schule zu tun hat.

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