Ganz ruhig ist es in der Turnhalle am Bollwerk in Geldern. Fast in Zeitlupentempo führen die Kursteilnehmer ihre Bewegungen aus. Mit dabei ist auch das Ehepaar Jutta und Norbert Wanke, die für die Rheinische Post verschiedene Sportarten auf ihre Seniorentauglichkeit testet. Wichtige Kriterien dabei sind, wie hoch das Verletzungsrisiko ist und ob auch ungeübte Senioren neu einsteigen können. Diesmal steht die Kampfkunst Tai Chi Chuan auf dem Programm — "die stille Sportart", wie sie Norbert Wanke nennt.

Gemeinsam mit seiner Frau Jutta Wanke startet er mit dem Einsteigerkurs beim GSV Geldern. Die Stille wird durch Anweisungen von Trainerin Helga Felgentreu unterbrochen. Der Anfang von allem ist der richtige Stand. "Beide kleinen Finger spreizen, das ist Hüftmaß", erklärt Übungsleiterin Helga Felgentreu. Dass auf den sicheren Stand so viel Wert gelegt wird, liegt daran, dass Tai Chi Chuan eigentlich aus dem Kampfsport kommt.

"Dafür ist der Körperschwerpunkt wichtig", erläutert Helga Felgentreu. Auch sonst achtet sie sehr genau darauf, dass die langsamen, fließenden Bewegungen alle korrekt ausgeführt werden. Mit dem Ehepaar Wanke übt sie "Vorübung Teil 1". Auf die Frage von Proband Norbert Wanke, wann Teil 2 kommt, lächelt die Trainerin nur. Tai Chi Chuan ist nichts für Hitzköpfe. "Die Übungen führen dazu, dass die Teilnehmer selber zur Ruhe kommen", sagt Helga Felgentreu.

Beim Tai Chi Chuan gibt es verschiedene Stile. Helga Felgentreu unterrichtet den Wu-Stil. "Bei dieser Form wird darauf geachtet, dass die Wirbelsäule gerade ist", sagt sie. "Darüber freuen sich auch die Physiotherapeuten." Denn die Sportart wird auch als Rehabilitationsmaßnahme eingesetzt und eignet sich für Menschen mit Rückenleiden.

Tai Chi Chuan ist für Menschen jeden Alters geeignet. Zu Felgentreus Teilnehmern gehört auch ein Mann, der an Alzheimer erkrankt ist. "Auch wenn er zwar nie die Bewegungsabläufe alle lernen kann, finde ich es klasse, da er gemeinsam mit seiner Frau Sport machen kann", sagt Helga Felgentreu.

Bewegungsabläufe sich einprägen und wiederholen, das macht das Training aus. "Ich habe den Eindruck, ich müsste tanzen lernen, weil ich so viele einstudierte Bewegungen mache", zieht Norbert Wanke den Vergleich nach seiner ersten Trainingsstunde. Muskelkater haben er und seine Frau keinen bekommen. Das ist auch gewollt. "Es darf nichts weh tun", sagt Trainerin Helga Felgentreu. "Aber auch wenn die Teilnehmer nicht ins Schwitzen kommen, stärkt es die Muskeln", verspricht sie. Sie zeigt eine Übung, bei der die Teilnehmer leicht in die Knie gehen. Das ist schon ungewohnt und anstrengend. Aber auch dort geht es um die richtige Ausführung und einen sicheren Stand.

Um die korrekte Ausführung nicht zu vergessen, empfiehlt Helga Felgentreu, die Übungen auch zu Hause weiterzumachen. Denn da Training baut aufeinander auf. Es kann immer etwas Neues gelernt werden. Es gilt: "Lernen ein Leben lang", sagt die Trainerin, betont aber, dass niemand Angst vor Fehlern haben braucht. "Die lassen sich zurücktrainieren", sagt sie.

Jutta Wanke hat die neuen Bewegungsabläufe direkt in ihren Frühsport am nächsten Morgen mit eingebaut. "Es ist kein Sport zum Auspowern", zieht sie ein Fazit. "Wenn man zum Sport geht, denkt man oft, man muss aus der Puste sein", ergänzt ihr Mann. "Bei Tai Chi Chuan ist das nicht so. Das ist ein Sport für jemanden, der eine gewisse innere Ruhe sucht und die Harmonie genießen will."

Kontakt Helga Felgentreu ist telefonisch unter 02835 4060 zu erreichen.