Interview: Marie-Agnes Strack-Zimmermann "Solide Finanzen sind Basis der Ampel"

Düsseldorf · FDP-Chefin sieht die liberalen Interessen im Kooperationsvertrag ausreichend berücksichtigt. Neue Schulden oder höhere Steuern seien mögliche Gründe für einen Bündnis-Bruch. Auch die Verlässlichkeit des Oberbürgermeisters sei wichtig.

 "Die Zeiten, als sich die FDP auf die CDU als Bündnispartner reduziert hat, sind vorbei", sagt Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Chefin der Liberalen in Düsseldorf und im Rathaus. Sie setzt auf einen sozialliberalen Kurs.

"Die Zeiten, als sich die FDP auf die CDU als Bündnispartner reduziert hat, sind vorbei", sagt Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Chefin der Liberalen in Düsseldorf und im Rathaus. Sie setzt auf einen sozialliberalen Kurs.

Foto: Andreas Bretz

Frau Strack-Zimmermann, auf dem Titelblatt des Ampel-Vertrags ist nicht die für Ampeln übliche Farbreihenfolge zu sehen, sondern Rot-Grün-Gelb. Warum?

Strack-Zimmermann Natürlich hätten wir auch lieber die übliche Reihenfolge Rot-Gelb-Grün gehabt. In diesem Fall wollte man es aber nach der Größe der jeweiligen Fraktionen machen.

Worauf sind Sie als FDP-Chefin besonders stolz?

Strack-Zimmermann Darauf, wie sich unsere 20 Mitglieder fachlich gut vorbereitet und sympathisch den Verhandlungsprozess eingebracht haben. Wir haben bewusst viele junge Leute eingebunden.

Wo ist die FDP inhaltlich am deutlichsten erkennbar?

Strack-Zimmermann Grundsätzlich beim Thema Finanzen. Das war unsere Bedingung für die Kooperation. Keine neuen Schulden machen, keine Erhöhung und keine Neueinführung von Steuern. Die Basis des Vertrags ist, dass das Rathaus, wie in der Vergangenheit, an den einnahmen, nicht an den Ausgaben orientiert arbeitet.

Warum wurden Steuererhöhungen mit so milder Wortwahl ausgeschlossen? "Wir haben nicht vor, Steuern zu erhöhen oder neue Steuern einzuführen." Mit einer ähnlichen Aussage wurde einst die Absicht, in Berlin eine Mauer zu bauen dementiert ...

Strack-Zimmermann Das würde ich nicht überbewerten. Fakt ist, dass der Kooperationsvertrag darauf basiert. Das war immer klar. Denn der Erfolg dieser Stadt beruht darauf, dass wir viele wichtige Investitionen gleichzeitig machen konnten aufgrund der Einnahmen. Was nun vereinbart wurde, müssen wir ebenfalls aus dem Haushalt bezahlen. Das können wir auch. Es wird keinen Trick geben, sich da aus der Verantwortung zu stehlen.

Schulneubauten, Sturmschäden, Investitionsstaus bei Kultur und Sport, Bahn über den Gallberg - wie soll das ohne Kredite bezahlt werden?

Strack-Zimmermann Das passiert ja nicht alles in den nächsten sechs Monaten, sondern in den nächsten sechs Jahren. Wir haben einen soliden Haushalt. Das soll auch so bleiben. Wenn jeweils die Finanzierungsbeschlüsse auf dem Tisch liegen, müssen wir uns entscheiden, wann wir das Projekt umsetzen. Wenn die Großprojekte Kö-Bogen und Wehrhahn-Linie abgeschlossen sind, werden nach 2016 Mittel frei. Es kann aber natürlich sein, dass wir in die Rücklagen greifen müssen.

Manche sind wegen des engagierten Programms überzeugt, dass die Rücklagen bald komplett weg sind ...

Strack-Zimmermann Das sehe ich nicht, wenn die Einnahmen aus der Gewerbesteuer so stabil bleiben, wie sie sind. Derzeit sieht es sogar danach aus, dass sie steigen. Sollte etwas nicht finanzierbar sein, werden wir auf die Bremse treten.

Wäre es für Sie ein Grund für den Bruch des Bündnisses, wenn die Schuldenfreiheit aufgegeben oder Steuern erhöht werden?

Strack-Zimmermann Das war für uns die Bedingung, das Bündnis einzugehen. Aber wie bei einer Ehe geht man am Traualtar erst mal nicht davon aus, wann es in die Brüche gehen könnte. Aber in der Tat wären das für uns Gründe, aus der Ampel auszusteigen. Da waren wir uns übrigens mit den Grünen einig.

Überhaupt herrschte zwischen Ihnen und den Grünen eine nie gekannte Harmonie. Wie kam es?

Strack-Zimmermann Wenn man ein paar Wochen sachlich miteinander arbeitet und den Wahlkampf beiseite lässt, sieht man sehr schnell, wo Übereinstimmungen sind. Die Verhandlungen waren von viel gegenseitigem Respekt geprägt. Es wurde erkannt, dass jeder der Beteiligten vor seiner jeweiligen Parteibasis bestehen muss. So viel Empathie hatte ich vorher nicht erwartet.

SPD-Chef Rimkus erkannte eine sozialliberale Handschrift in dem Vertrag. Wie wichtig ist dieser Kurs für Sie als Bundes-Vize der Liberalen?

Strack-Zimmermann Natürlich ist das ein Signal. Die Zeiten, als sich die FDP auf die CDU als Bündnispartner reduziert hat, sind vorbei. Wie schnell sich die CDU daraus lösen konnte, war ja am Abend der Ratswahl deutlich, als sofort Schwarz-Grün als neue Mehrheit im Rat ausgerufen wurde. Wir zeigen jetzt, dass wir als Liberale im sozialdemokratischen Spektrum genauso arbeiten können wie mit der CDU.

Wie schwer war es, sich als kleinster Partner durchzusetzen?

Strack-Zimmermann Das war überhaupt kein Problem. So wie auf dem Titel des Vertrags alle drei Parteifarben gleich breit sind, so hat auch jeder im Vertrag den gleichen Raum bekommen. Die Größe spielte keine Rolle, drei Parteien wollten vielmehr gemeinsam etwas für Düsseldorf auf den Weg bringen.

Sie hatten in den vergangenen Jahren nicht mit scharfen Tönen in Richtung Rot-Grün gespart. Wie viel Porzellan mussten Sie jetzt aufkehren?

Strack-Zimmermann Das musste ich nicht. Als wir am Verhandlungstisch saßen, haben wir uns über die Auseinandersetzungen der Vergangenheit keine Gedanken gemacht. Wenn man manche Wortbeiträge von den Fraktionschefs der SPD und den Grünen, Markus Raub und Norbert Czerwinski, liest, wird klar, dass wir uns gegenseitig nichts geschenkt haben. Ich halte das deutliche Wort für wichtig in der politischen Auseinandersetzung. Wer das nicht ab kann, ist in der Politik falsch.

Bei was mussten Sie zähneknirschend nachgeben?

Strack-Zimmermann So einen richtigen Knochen, an dem man sich abrubbelt, gab es nicht. Der Bau einer weiteren Gesamtschule ist aus Sicht der FDP sicherlich ein Kompromiss, weil wir das Gymnasium für die bessere Schulform halten. Wenn aber die anderen beiden Parteien eine weitere Gesamtschule wollen, finde ich das in Ordnung. Anders war das bei manchen ökologischen Standards, etwa beim Dämmen von Häusern.

Ähnlich denkt die SPD ...

Strack-Zimmermann In dem Bereich waren wir der SPD tatsächlich etwas näher.

Der Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann attestiert auch OB Thomas Geisel (SPD) eine gewisse Nähe zur FDP. Spüren Sie die?

Strack-Zimmermann Er kann gut mit der FDP und ist auch sehr bemüht. Wenig hilfreich ist allerdings, wenn er auf der Münchner Immobilienmesse die Verhandlungsergebnisse beim Wohnen in Frage stellt.

Geisel hat von 30 Prozent sozial gefördertem Wohnbau gesprochen. Basis im Vertrag ist aber das Handlungskonzept mit je 20 Prozent sozial gefördertem und preisgedämpftem (bis 8,50 Euro Miete) Wohnbau ...

Strack-Zimmermann Richtig. Das preisgedämpfte Segment ist wichtig, weil es jene betrifft, die keinen Wohnberechtigungsschein haben und sich aber die Angebote auf dem freien Markt nicht leisten können. Natürlich würden Investoren lieber ausschließlich sozial gefördert bauen. Man muss klarmachen, dass in Düsseldorf der preisgedämpfte Bereich Pflicht ist. Deshalb sollte Herr Geisel solche Aussagen lassen. Wenn er verlässliche Mehrheiten im Stadtrat möchte, brauchen wir auch einen verlässlichen Oberbürgermeister.

Was glauben Sie, welches Votum Ihre Parteibasis dem Vertrag geben wird?

Strack-Zimmermann Die Partei wird den Weg empfehlen, von dem die Mehrheit der Meinung sein wird, dass er der Beste ist, möchte man auch in Zukunft so viel liberale Politik wie möglich für Düsseldorf durchsetzen.

DENISA RICHTERS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(dr)
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