Interview "Lebensmittel-Hygiene verbessern"

Düsseldorf · Der scheidende Leiter des Amtes für Verbraucherschutz, Peter Steinbüchel, über Probleme bei der Lebensmittelkontrolle, den Wert von Verordnungen und Richtlinien sowie den Umgang mit Nahrungsbetrieben.

Herr Steinbüchel, gehen Sie nach Ihren Erfahrungen mit Lebensmittelkontrollen noch unbeschwert einkaufen?

Steinbüchel Ich gehe nach wie vor unbeschwert einkaufen. Aber vielleicht legt sich ja mit der Zeit die Berufskrankheit, immer einen besonders kritischen Blick für Lebensmittel und Hygiene in einem Laden zu haben.

Worauf blicken Sie kritisch?

Steinbüchel Es gibt zwei wichtige Punkte. Erstens: Wie gehen Verkäuferinnen mit unverpackten Lebensmitteln um, fassen sie sie nur mit Handschuhen an? Zweitens: Wird die Verpackung mit gewogen oder nicht, wird der Fehler Brutto für Netto gemacht?

Abgesehen davon, kann der Verbraucher mit Qualität rechnen?

Steinbüchel Durchaus. Die Herstellung von Lebensmitteln beruht nach wie vor auf traditionellen Rezepturen, und die Ausgangsmaterialien sind im so genannten Deutschen Lebensmittelbuch verbindlich festgeschrieben worden. Da ist beispielsweise genau zu lesen, was in eine Fleischwurst gehört. Auch die EU berücksichtigt in ihren Regelungen festgeschriebene nationale Produktionsweisen.

Wie beurteilen Sie rückblickend die Entwicklung auf dem Lebensmittelmarkt: Wirken Kontrollen erzieherisch?

Steinbüchel Insgesamt ist das Bewusstsein für Hygiene etwa in den zurückliegenden 15 Jahren erfreulich gestiegen. Beispielsweise ist die Kleidung praktischer, pflegeleichter und damit sauberer geworden. Auch wird oft der Verkauf und das Kassieren von verschiedenen Angestellten erledigt, so dass eine Verkäuferin nicht Nahrungsmittel anfasst und anschließend das Geld.

Wie ist Hygiene durchzusetzen?

Steinbüchel Es muss den Laden- und Restaurant-Inhabern deutlich gesagt werden, woran es hapert. Ich bin dafür bekannt, das Kind auch beim Namen zu nennen. Über die entdeckten Schwachpunkte muss zugleich aufgeklärt werden. Wir überlegen gemeinsam mit Berufsverbänden die Ursachen für mangelndes Hygienebewusstsein und was zu tun ist.

Fühlen Sie sich bei dem Umsetzen der vielen Verordnungen eher als Theoretiker oder als Praktiker?

Steinbüchel Weder noch. Ich muss die Kunst beherrschen, in jedem Fall ein ausgewogenes Maß bei den Anordnungen für Betriebe zu finden. Die Vorschriften bilden den Rahmen. Wir prüfen, was machbar und wie es umzusetzen ist.

Ein Beispiel für diese Abwägung?

Steinbüchel Das Bearbeiten von Fleisch und die Verpackung für den Transport in Kartons müssen separat durchgeführt werden. Normalerweise soll es dafür je einen Raum geben. Wenn in einem kleinen Betrieb der Platz dafür fehlt, kann der Arbeitsablauf so organisiert werden, dass zuerst das Fleisch bearbeitet, der Raum gesäubert wird, dann die Versandkartons gepackt werden und der Raum wieder gesäubert wird. So braucht der Betrieb keinen zweiten Raum.

Sie waren 20 Monate in der Türkei, um beim Aufbau der Lebensmittelüberwachung zu helfen. Warum?

Steinbüchel Es war eine Herausforderung für mich. Einerseits wollte ich etwas anderes machen, weil man auf Dauer betriebsblind werden kann, andererseits reizte es mich festzustellen, was in einem großen Land wie der Türkei, die in die EU will, bewegt werden kann. Es war klar, dass ich vor den Kollegen nicht doziere und Rechtsverordnungen vorlese, sondern ihnen darlege, wie die Lebensmittelüberwachung in der EU organisiert ist.

Was haben Sie für sich in der Türkei gelernt?

Steinbüchel Kritisch auch unser System zu sehen. Ich bin ein ungeduldiger Mensch. Manche Ziele müssen auf längere Sicht hin umgesetzt werden, es kann nicht alless über das Knie gebrochen werden, um die Funktionstüchtigkeit zu erhöhen. In Düsseldorf ist sie jedoch schon toll, auch wegen des ausgezeichneten Qualitätsmanagementsystems. Das ist auch ein Verdienst der Stadt.

Beeinflusste Ihre Ungeduld auch Ihre Arbeit in Düsseldorf?

Steinbüchel Zu Beginn meiner Tätigkeit in Düsseldorf habe ich als kleiner Tierarzt in der Behörde einen eigenen Arbeitsstil entwickelt. Da habe ich meinen Oberen schon mal Kopfzerbrechen gemacht, als ich eine Krankenhaus-Küche aus hygienischen Gründen schließen ließ oder ein Lokal, in dem Prominente gerne speisten.

Brauchen Sie bei solchen Entscheidungen ein dickes Fell?

Steinbüchel Sicher. Vor allem aber die Überzeugung, dass die Maßnahmen richtig und angemessen sind und der Sache dienen. Nur wenn in den Betrieben klar wird, dass Behörden so arbeiten, können sie überzeugt werden, ihrerseits besser zu arbeiten. Bei ihrem Vorgehen müssen sich die Behörden aber auch neue Entwicklungen und aktuelle Anforderungen berücksichtigen — dies gilt für die Lebensmittelüberwachung ebenso wie für die Tierseuchenbekämpfung.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Steinbüchel Als durch einen Hund aus der Türkei die Tollwut nach Düsseldorf eingeschleppt wurde, mussten wir schnell reagieren, um das Ausbreiten der Seuche zu verhindern. Die Bestimmungen dafür waren ausreichend. Aber es gab eine Lücke bei der Vorsorge: Es fehlte eine Regelung, wie ein Tier behandelt werden muss, dass ohne Bescheinigungen etwa von Impfungen eingeführt wird. Ich bin ein wenig stolz, dass wir in Düsseldorf aufgrund dieses Falls Quarantäne-Bestimmungen erarbeitet haben, die von anderen übernommen wurden.

Wenn Sie jetzt in den Ruhestand gehen, fehlen Ihnen dann solche beruflichen Herausforderungen?

Steinbüchel Das frage ich mich auch. Jedenfalls werde ich meinen Erfahrungsschatz nicht einfach beiseite legen. So arbeite ich zurzeit an einem Kommentar zum Lebensmittelrecht mit und hoffe, dafür Zeit zu haben. Und vielleicht bietet sich ja nochmal die Gelegenheit, in einem anderen Land bei der Lebensmittelüberwachung zu beraten.

Michael Brockerhoff führte das Gespräch.

(RP)
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