Faszinierendes Orgelkonzert mit Blarr Der Unverwüstliche

Düsseldorf · Swing auf der Orgel: Der 87-jährige Oskar Gottlieb Blarr gab ein Konzert in der Neanderkirche, seiner früheren Wirkungsstätte in der Düsseldorfer Altstadt.

 Oskar Gottlieb Blarr vor der Orgel in der Neanderkirche.

Oskar Gottlieb Blarr vor der Orgel in der Neanderkirche.

Foto: Evangelische Kirche Düsseldorf/Sergej Lepke

Der derzeit sicherlich älteste aktive Organist und ehemalige Düsseldorfer Kantor ist Oskar Gottlieb Blarr. 1934 in Ostpreußen geboren, trat er 1961 seine Stelle an der damals eher unauffälligen Neanderkirche auf der Bolker Straße an. Doch er machte sie zu einem kirchenmusikalischen Zentrum Düsseldorfs. Zunächst ließ er von der Firma Rieger eine Orgel nach seinen Vorstellungen bauen.

Nach deren Installation Mitte der 1960er Jahre fanden die zuvor in der Johanneskirche abgehaltenen „Sommerlichen Orgelkonzerte“ in der Neanderkirche ihre neue Heimat. Und sie sind bis heute von hier nicht wegzudenken. Neanderkirche? Na klar: Sommerliche Orgelkonzerte! Und das Publikum kam stets in Strömen.

55 Jahre nach dem Umzug der Konzertreihe in die Hinterhof-Kirche in der Altstadt ist die Musik nun eingebettet in einen kurzen Gottesdienst, aus Konzerten sind „Sommerliche Orgelvespern“ geworden. Coronabedingt müssen die Ströme kanalisiert werden, es dürfen nur höchstens 115 Zuhörerinnen und Zuhörer kommen. Abstand ist die Devise – und Maske tragen.

Aber das nimmt die Stammkundschaft in der Neanderkirche gerne in Kauf. Nach den ersten Vespern mit Organisten aus Düsseldorf und der weiteren Umgebung spielte am sechsten sommerlichen Mittwoch Oskar Gottlieb Blarr und beschloss damit die erste Hälfte des diesjährigen Zyklus. Hier regelmäßig zu spielen, lässt er sich nicht nehmen. Seine Programme sind stets durchdacht und ein zentraler Beitrag zu den „Sommerlichen“.

Blarrs Nach-Nachfolger Sebastian Klein hatte nach der Begrüßung auch den geistlichen Part übernommen und die Vesper unter das Motto aus den Psalmen „Singt dem Herrn ein Neues Lied“ gestellt. Blarrs Programm löste dieses Motto ein. Es war durchkomponiert, wie man es von ihm gewohnt ist. Schließlich ist er nicht nur Kirchenmusiker, sondern auch vielseitiger Komponist – nicht nur von Orgelmusik. Jedes Stück widmete er einer oder mehreren Personen, denen er persönlich oder musikalisch nahe steht oder stand, durchweg Begleiter auf seinem Lebensweg. Privat sieht man Blarr stets mit Hut. Diesen hatte er an der Orgel allerdings abgenommen.

Aus der Fülle der Orgelliteratur griff Blarr Stücke heraus, die so etwas wie Swing haben, und überschrieb sein Programm augenzwinkernd in schönstem Denglisch „Schwing in the cathedral“. Nun, die Neanderkirche hat weder die Ausmaße noch die Akustik einer Kathedrale. Von ihrer kirchenmusikalischen Bedeutung her besitzt sie aber einen vergleichbaren Stellenwert.

Schon bei dem ersten Programmteil „Swinging Bach“ entdeckte Blarr in den punktierten Rhythmen zweier Sätze Elemente, die rhythmisch weit in die Zukunft wiesen. „Swinging Spirituals“, „Swinging Fathers“ und „Swinging Friends“ brachten teils Standards der Swing-, Jazz- und Bluesliteratur wie etwa Paul Desmonds „Take Five“, teils Choralvorspiele neueren Datums, die nicht weniger groovten. So wie seine vor Jahrzehnten unter dem Pseudonym „Choral Brother Ogo“ komponierten „Neuen geistlichen Lieder“, die er in Beatgottesdiensten eingesetzt hatte.

So manche Nummer vermählte klassische Ansätze, wie etwa eine Fuge, mit wohligen Jazzharmonien und tanzenden Jazzsynkopen. Im Programmteil „Swinging Neander“ spielte Blarr schließlich Eigenkompositionen. Etwa eine musikalische Paraphrase über das Hohelied der Liebe aus dem ersten Korintherbrief. Mit Blues-Feeling. Bei Oscar Petersons „Hymn to freedom“, der einprogrammierten Zugabe, ließ Blarr die Rieger-Orgel fortissimo rauschen und seiner rechten Hand größte Freiheit für ausgedehnte Solospaziergänge.

Gute Tradition ist, dass nach der Musik – bei stets freiem Eintritt – in einer Kollekte ein Orgel-Projekt gefördert wird. Diesmal kommt das Geld der historischen Sauer-Orgel von 1864 im Marienwerder Dom im polnischen Kwydzin, südlich von Danzig, zugute, die einer Restaurierung bedarf.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort