Filmmuseum Kinofilme vom Meister

Das Düsseldorfer Filmmuseum widmet sich dem Regisseur Roland Klick zum 80. Geburtstag mit einer spannenden Retrospektive.

 Szene mit Dennis Hopper in dem Film „White Star“ von Roland Klick.

Szene mit Dennis Hopper in dem Film „White Star“ von Roland Klick.

Foto: filmmuseum düsseldorf/filmmuseum

Ganz nah dran ist die Kamera am Gesicht des Dorftrottels Ludwig. Bis langsam eine gleissende Sonnenreflektion sich nach oben schiebt und den vom sehr jungen Otto Sander gespielten Ludwig blendet. Der wirft entnervt seinen Zigarettenstummel nach seinen täglichen Peinigern. Immer wieder wird im Laufe des 15-minütigen Streifens die Kamera ganz nah an das wunderbar traurig-komische Gesicht Sanders heranrücken. Rührend und einnehmend ist das.

Der Kurzfilm „Ludwig“ läutete 1964 die steile und wechselvolle Karriere des Regisseurs Roland Klick ein. Darin einen Tag im Leben von Ludwig erzählt, von seiner harten Arbeit im Steinbruch des fränkischen Juras. Rau ist das Leben in Nennslingen, einem Dorf mit kargen Jurahäusern, steinigen Äckern und Steinbrüchen. So rau und hart wie in den weiteren Filmen Klicks.

Dem Regisseur Roland Klick widmet das Düsseldorfer Filmmuseum nun eine Retrospektive und eine Foyer-Ausstellung zu seinem 80. Geburtstag. Gezeigt wird den ganzen September über das Werk Klicks – sieben Spielfilme, drei Kurzfilme und eine Dokumentation. Und am kommenden Wochenende wird Roland Klick bei einem Publikumsgespräch anwesend sein.

Dabei kommt die Anerkennung seines Werks in Deutschland spät. Während der Neue Deutsche Film, dank spendabler Filmförderung, intellektuell und formal anspruchsvolle, politisierende Filme machte, nahm Klick den Zuschauer auf eine ganz andere Reise mit. Tief in die Realität wollte er entführen.

„Die Realität ist Offenbarung, sie ist für mich am schönsten“, sagt Klick. So liegt es auch nahe, dass die italienischen Neorealisten seine Idee von Kino maßgeblich geprägt haben, allen voran Michelangelo Antonioni. Als seine wichtigste Filmschule betrachtet er Antonionis „Die Nacht“.

Hochkonzentrierte oft gerahmte Einstellungen, eine Handlung, die durch Bilder vorangetrieben wird, und Charaktere, deren Motivationen nicht auserzählt werden. „Der deutsche Film leidet daran, dass immer alles genauestens auserzählt werden muss“, sagt Klick heute. Das nehme dem Film die Magie, weil der Zuschauer nicht seine imaginäre Version erschaffen könne. So wie in seinem größten Kinohit „Deadlock“, einem psychedelischem Neo-Western. Drei Männer treffen in einem verlassenem Wüstendorf aufeinander, alle sind darauf aus, den anderen prall gefüllte Geldkoffer abzuluchsen. Wo das Geld herkommt, wird nicht aufgelöst. Genauso wenig, woher sich Sunshine und Kid kennen. Gedreht wurde der Film kurz nach Ende des Sechs-Tage-Kriegs in der Wüste Negev. „Damals mussten wir die Dreharbeiten kurzfristig unterbrechen, weil es noch Gefechte zwischen der israelischen und jordanischen Armee gab“, sagt Klick.

Den Soundtrack zu diesem Meisterwerk, das gekonnt mit den Konventionen des Western-Genres spielt, steuerten die Krautrocklegenden von Can bei. Nach dem Erfolg von „Deadlock“ lehnte Klick erstmal Angebote ab, Spaghetti-Western zu drehen. „Ich wollte kein Genreregisseur werden“, sagt er heute. Stattdessen machte er mit „Supermarkt“ einen persönlichen Film über den kleinkriminellen Jugendlichen Willi. Dieser wird von einem engagierten Journalisten aufgenommen, gerät aber weiter in einen Abwärtsstrudel aus Hoffnungslosigkeit und Gewalt.

„Ich habe jahrelang soziale Phrasen vor mich hingequasselt, daher wollte ich es mir selbst zeigen, dass ich auch etwas Gutes tun kann“, sagt Klick. So nahm er für vier Jahre einen Jugendlichen auf, dessen Geschichte er in „Supermarkt“ verarbeitete. Herausgekommen ist ein schonungsloser Film über die Ausweglosigkeit der Gosse. Eine sehr raue und sehr deutsche Version von Godards „Atemlos“, die das kriminelle Milieu nicht romantisiert. Trotz dieser ernsten Themen ist Klick in den 70-er Jahren als kommerzieller Regisseur bei Kollegen und Kritik verschrien. „Das war aber beabsichtigt, ich wollte Filme für Menschen machen und mich aus meinem Elfenbeinturm hinauswagen.“

Nach weiteren Filmen – unter anderem mit Dennis Hopper – und vor allem vielen Enttäuschungen und Kämpfen mit Produzenten um die künstlerische Hoheit hört er zerknirscht Ende der 80er Jahre auf, Filme zu machen. „Ich musste diese Scheiße hinter mir lassen“, sagt Klick. So ging der Nomade Klick auf Weltreise, besuchte ferne Länder und heuerte auf einem Segelschulschiff in Kolumbien an. Zurück in Deutschland nahm er Lehraufträge an Filmhochschulen an. Heute lebt er in einem Hochhaus mit Blick auf den Hamburger Hafen. Dort schaut er zu, wie die Schiffe an ihm vorbeiziehen, steht rauchend auf seinem Balkon und spürt, wie immer noch das Fernweh in ihm aufkommt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort