Kommentar: Unsere Woche Der bittere Beigeschmack der Test-Strategie

Meinung | Dinslaken/Voerde/Hünxe · Die Strategie des Landes bei den Corona-Tests untergräbt die gesellschaftliche Solidarität. Die einen dürfen Urlaub machen, die anderen sollen sich aufopfern: Das ist zwar rein logisch betrachtet zu kurz gesprungen, aber das ist das Gefühl, das entsteht. Ein Kommentar.

 Die Arztpraxen rechnen mit einem Ansturm von Menschen, die sich testen lassen wollen.

Die Arztpraxen rechnen mit einem Ansturm von Menschen, die sich testen lassen wollen.

Foto: Schwarze-Blanke

Schon schade, dass etwas Gutes einen so bitteren Beigeschmack hinterlässt. Dass Reiserückkehrer sich kostenfrei auf eine Corona-Infektion testen lassen dürfen, ist gut. Dass Menschen, die in Schulen oder Kitas arbeiten, sich regelmäßig testen lassen dürfen, ist gut.

Aber die Ärztinnen und Ärzte und das medizinische Personal – also die Leute, die das hier in Dinslaken, Voerde und Hünxe stemmen sollen und dabei an vorderster Front stehen – bekommen dieses Recht nicht. Ebenso wenig wie diejenigen, die in der Pflege arbeiten. Das ist vollkommen und unnötigerweise ungerecht.

Die Strategie des Landes bei den Tests hat unmittelbare Auswirkungen auf das Leben in der Region. Als es mit der Corona-Pandemie losging, haben hiesige Einrichtungen Alarm geschlagen. Man erinnere sich an die Engpässe damals: Von allem gab es zu wenig. Zu wenig Schutzkleidung, zu wenig Masken, zu wenig Desinfektionsmittel und vor allem: zu wenig Testmaterial, zu wenig Laborkapazitäten. Man hätte ja gern mehr untersucht, es ging bloß nicht.

Unter anderem Caritas-Direktor Michael van Meerbeck hat damals eindringlich geschildert, wie schwierig das für alle Beteiligten war. Immerhin versorgen Pflegekräfte Menschen in der Risikogruppe und müssen Angst haben, dass es Leben kostet, wenn sie sich das Virus einfangen. Für viele hieß es nur noch: Arbeit, nach Hause, wieder zur Arbeit, um jedes private Ansteckungsrisiko zu minimieren.

Damals war aber zumindest die ganze Bevölkerung aufmerksam. Es gab keine Reisen, die Schulen waren zu, und jedem war klar, dass man Mangel zu verwalten hatte. Jetzt ist das anders.

Es folgt zwar einer gewissen Logik, wer nun getestet werden soll. Schulen, Kitas und Urlauber sind derzeit besonders gefährdet, zu Corona-Ausbrüchen beizutragen, also will man an diesen Stellen ansetzen. Das hilft der Allgemeinheit, ist also vernünftig. Dass aber ausgerechnet die Handelnden im Gesundheitssektor – beispielsweise die Arztpraxen, die jetzt einen Ansturm von Testwilligen händeln sollen – hintenüberfallen, das untergräbt die gesellschaftliche Solidarität. Die einen dürfen Urlaub machen, die anderen sollen sich aufopfern: Das ist rein logisch zwar viel zu kurz gesprungen, aber es ist das Gefühl, das entsteht.

Man kann nur auf neue, bessere politische Entscheidungen hoffen. Vielleicht finden bis dahin die Arbeitgeber Wege, Tests für ihre Belegschaften zu finanzieren. Womöglich über Kooperationen miteinander oder durch Unterstützung aus anderen Quellen. Auch wenn es ungerecht ist, dass das nötig ist.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

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sina.zehrfeld@rheinische-post.de

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