Behandlung von Sexualstraftätern Wenn der Richter eine Therapie verordnet

Düsseldorf · Neben einer Bewährungsstrafe muss sich der 49-jährige Angeklagte im Fall Lügde einer Therapie unterziehen. Was passiert, wenn die Richter eine solche Auflage verhängen? Welche Therapieformen für Sexualstraftäter gibt es und welche Möglichkeiten bieten sie?

 Aktenordner liegen auf dem Tisch eines Anwaltes.

Aktenordner liegen auf dem Tisch eines Anwaltes.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Die Therapie von Sexualstraftätern hat zwei Hauptziele: Sie soll weitere Taten verhindern und die Grundstörung, zum Beispiel eine Unsicherheit in der männlichen Identität, eine Aggressionsproblematik oder eine Beziehungsstörung therapieren. In der Therapie geht es vor allem darum, diese Störung zu verstehen und zu behandeln. Ist dies erfolgreich, wird die Gefahr eines Rückfalls minimiert.

Dabei lassen sich verschiedene Therapiemethoden unterscheiden: medikamentöse, kognitiv-verhaltenswissenschaftliche und psychodynamische Methoden, die den Betroffenen in seiner Persönlichkeit nachreifen lassen sollen.

In der medikamentösen Therapie kommen etwa Antiandrogene zum Einsatz, die den Sexualtrieb dämpfen sollen, sogenannte Rezeptorblocker. Diese Medikamente sind bereits seit vielen Jahren gebräuchlich. Etwas neuer hingegen ist die Gruppe der sogenannten GnRH-Analoga. Die Gabe dieser Medikamente bewirkt, dass weniger männliche Geschlechtshormone gebildet werden. Daneben werden SSRI, selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer, eingesetzt. Diese Gruppe von Medikamenten wurde ursprünglich zur Behandlung von Depressionen entwickelt. Sie verstärken die Wirkung des natürlicherweise im Gehirn vorkommenden Botenstoffes Serotonin. Dies bewirkt eine Verbesserung der Grundstimmung und eine Verminderung der sexuellen Dranghaftigkeit. Denn nach Aussagen von Sexualmedizinern leiden pädophile Menschen - geschätzt ein Prozent der Bevölkerung haben diese Neigung - oftmals unter Depressionen und Angsterkrankungen, und zwar doppelt so häufig wie die Allgemeinbevölkerung. Auch eigene Erfahrungen von Missbrauch und Vernachlässigung finden sich unter ihnen häufiger. Sie leben Sexualmedizinern zufolge nicht selten sehr isoliert.

Daher wird die medikamentöse Behandlung meist von einer psychotherapeutischen Behandlung begleitet. Dabei stehen selbststeuernde Ansätze im Mittelpunkt. Der Patient wird etwa angewiesen, sich in den Beginn der Verhaltenskette seines krankhaften Verhaltens hineinzuversetzen, aber sich dabei etwas vorzustellen, das mit sexueller Erregung unvereinbar ist. Diese Therapieform kann in fortgeschrittenem Stadium vom Patienten auch eigenverantwortlich angewendet werden. Tiefenpsychologisch orientierte Verfahren arbeiten daran, dass der Täter sich die darunter liegenden psychischen Konflikte bewusst macht, sie zu bewältigen und zu korrigieren lernt.

Die äußeren Rahmenbedingungen der Behandlung ergeben sich zumeist durch die rechtlichen Gegebenheiten. Eine Therapie kann stationär im psychiatrischen (Maßregel-)Krankenhaus (gemäß § 63 StGB) erfolgen. Spezialisierte Abteilungen in Justizvollzugsanstalten gibt es in der Bundesrepublik bislang nur wenige, stattdessen werden häufiger externe Therapeuten von den jeweiligen Haftanstalten hinzugezogen. Ambulante Behandlungen können nach Beendigung oder - als Bewährungsauflage wie im Fall Lügde - anstelle einer Strafhaft erfolgen. Generell sind ambulante Therapien offenbar erfolgversprechender als stationäre Behandlungsstrategien; ihr Einsatz ist aber auf Patienten beschränkt, bei denen keine akute Gefahr schwerwiegender Rückfalldelikte besteht.

Unabhängig von der gewählten therapeutischen Richtung ist in der Behandlung von Sexualstraftätern dem Deutschen Ärzteblatt zufolge unter anderem folgendes zu beachten: Allen Sexualstraftätern gemeinsam sei ein Mangel an Empathie, also Mitgefühl. In besonders schweren Fällen fehle sie völlig. Ziel ist dann zunächst, die Fähigkeit zu erlernen, "sich in die Lage anderer hineinzuversetzen, so als sei man ihr selber ausgesetzt".

Wie effektiv solche Behandlungen sind, darüber gibt es kaum belastbare Studien. Dies liegt unter anderem an der Schwierigkeit, vergleichbare Kontrollgruppen zu bilden. Zusammenfassende Untersuchungen der vorliegenden Einzelstudien legen jedoch nahe, dass die Rückfallgefahr durch eine Behandlung gesenkt wird.

Sehr viel höher ist die Erfolgsquote, wenn sich Pädophile vor Begehen einer Straftat freiwillig in Behandlung begeben. Das Netzwerk „Kein Täter werden“ bietet auch am Uni-Klinikum Düsseldorf die Möglichkeit einer Therapie, verbunden mit der ärztlichen Schweigepflicht. Nach Einschätzung des Netzwerkes liegt hier die Erfolgsquote bei etwa 50 Prozent.

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