Rückzug von Harry Voigtsberger Krafts glückloser Minister tritt ab

Düsseldorf · Harry Voigtsberger war seit 2010 für Wirtschaft und Verkehr in NRW zuständig. Kritiker werfen ihm vor, mit Industrie und Handel gefremdelt zu haben. Auch in der Infrastrukturpolitik blieben große Würfe aus. Warum der Rückzug dennoch eine Überraschung ist.

Das ist Harry Voigtsberger
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Am Morgen, bei der Sitzung der SPD-Fraktion, war ihm nichts anzumerken. Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger wirkte aufgeräumt wie immer. "Von uns ahnte niemand, dass es sein letzter Auftritt in der Runde sein würde", so ein Fraktionsmitglied. Nur wenige Stunden später ist es amtlich: "Minister Voigtsberger scheidet aus der Landesregierung aus." Nach nur zwei Jahren verlässt der SPD-Politiker die Ministerriege. Ein Paukenschlag.

Harry Voigtsberger ist der erste Minister der Kraft-Regierung, der sein Amt aufgibt. Noch während der Koalitionsverhandlungen galt es als sicher, dass die Regierungschefin an ihm festhalten wollte. Kraft sei dem 61-Jährigen dankbar dafür, dass er 2010 sein Amt als Direktor des Landschaftsverbands Rheinland aufgegeben hat, um nach Düsseldorf zu wechseln, hieß es. Doch dann entschloss sich Voigtsberger — mit sanftem Nachdruck Krafts —, den Platz freizumachen.

Es passe nicht in seine Lebensplanung, weitere fünf Jahre im Amt zu bleiben, heißt es. Mit seinem Rückzug wolle er es der Regierungschefin ermöglichen, einen Neuanfang zu machen. Streit soll es nicht gegeben haben. Die Minister wurden erst nach der gestrigen Kabinettssitzung, an der Voigtsberger schon nicht mehr teilnahm, über den Rücktritt informiert.

Nach dem Wahlsieg 2010 hatte Kraft von einigen Hochkarätern, die ins Kabinett kommen sollten, eine Abfuhr erteilt bekommen. Voigtsberger dagegen sprang ein und wurde Chef eines Doppel-Ministeriums. Die Bereiche Wirtschaft und Verkehr wurden zusammengelegt, weil Kraft sich die Option offenhalten wollte, der FDP im Falle eines Regierungsbeitritts einen Posten anbieten zu können.

Doch der Fall tritt nicht ein. Seiteneinsteiger Voigtsberger bleibt Superminister. Jeden Tag reist er von seinem Wohnort in Eynatten-Raeren (Belgien) nach Düsseldorf an. Schon kurz nach Amtsantritt hat er es mit Kritikern aus den eigenen Reihen zu tun, die süffisant verbreiteten, Voigtsberger habe in seinen Dienstwagen einen Sitz mit Massagefunktion einbauen lassen — der Auftakt einer Serie von Seitenhieben und Angriffen, die seine Amtszeit prägen. Der wohl schwerste Vorwurf lautet, dass Voigtsberger mit der Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen fremdelt. Statt sich als Kümmerer zu präsentieren, bleibt er wichtigen Terminen wie den Neujahrsempfängen der Industrie- und Handelskammern oder dem Dreikönigs-Essen der Handwerkskammer Düsseldorf fern. Verkehrsstaatssekretär Horst Becker von den Grünen wirkt meist besser vorbereitet und stiehlt seinem Chef — mit dem er spinnefeind ist — gerne die Show.

Für Kopfschütteln sorgt ein Auftritt Voigtsbergers beim Empfang des japanischen Generalkonsuls anlässlich des japanischen Nationalfeiertags: Der Minister kommt im bunt-karierten Jackett. Dabei sind die Japaner bekannt für strenge Kleiderordnung.

Mit der Zeit lernt Voigtsberger aber hinzu. Im Streit um das neue Kohlekraftwerk in Datteln schlägt er sich schon früh auf die Seite von Eon und betont, dass moderne Kraftwerke notwendig seien für den Klimaschutz. Auch die umstrittene CO-Pipeline von Bayer, die zwischen Dormagen und Krefeld verläuft, verteidigt er. Doch große Würfe bleibt Voigtsberger schuldig. Als Verkehrsminister gelingen ihm keine wirksamen Maßnahmen gegen den Dauerstau in NRW.

Vorige Woche berichtete er auf dem Sommerfest der Handwerkskammer Düsseldorf, dass sein Sohn zu seinem Leidwesen ein Jahr vor dem Abitur die Schule abgebrochen und eine handwerkliche Lehre als Tischler begonnen habe. Dessen Begeisterung sei dann aber rasch auf ihn übergesprungen, berichtete der Minister nicht ohne Stolz. "Im persönlichen Umgang zeigt sich Harry Voigtsberger als netter und kluger Mann. Doch für einen Wirtschaftsminister reicht das nicht", heißt es häufig.

Eine gute Figur machte Voigtsberger, als er im Februar den Tatort unter der A 57-Brücke bei Dormagen in Augenschein nahm und sich einen Überblick über das Ausmaß der Brandstiftung verschaffte. Der Minister, der einen roten Helm trug, kündigte an, mit einer Belohnung zur Ergreifung der Täter beizutragen. Die mögliche Lösung des Falls wird er nun als Minister a.D. erleben.

(sap)
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