Unterricht von behinderten Kindern Rot-Grün plant Schulen für Inklusion
Düsseldorf · Etwa 100 "Vorreiterschulen" sollen in Nordrhein-Westfalen ab dem Schuljahr 2013/2014 mit dem gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderte Kindern beginnen. Damit solle der Rechtsanspruch lern- und körperbehinderter Kinder auf eine Regelschule verwirklicht werden, kündigten die bildungspolitischen Sprecherinnen von SPD und Grünen, Renate Hendricks und Sigrid Behr, in Düsseldorf an.
Bis zum Herbst wolle die neue rot-grüne Landesregierung einen Gesetzentwurf zur inklusiven Schule vorlegen. Die CDU-Opposition kritisierte das Vorhaben als "Inklusion light". Die Eckpunkte für den Gesetzentwurf haben SPD und Grüne in einem Antrag formuliert, der nach den Angaben am 4. Juli im Landtag verabschiedet werden soll.
Er zielt darauf, den "grundsätzlichen Rechtsanspruch" auf Unterricht in allgemeinen Schulen für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu garantieren. Das Schulangebot in NRW solle in den kommenden zehn Jahren schrittweise inklusiv ausgebaut werden. In den 30 Kreisen und 22 kreisfreien Städten würden zum Start "allgemeine Schulen aller Schulformen" als inklusive "Schwerpunktschulen im Sinne von Vorreiterschulen" bestimmt.
Hendricks erklärte, sie gehe davon aus, dass in jeder Region mindestens eine Grundschule sowie eine Schule der Sekundarstufe I zur inklusiven "Vorreiterschule" ausgebaut würden. Laut Behr wird im Gesetz eine "Wahlfreiheit" für Eltern verankert. Behinderte Kinder würden nicht zum Besuch von Regelschulen gezwungen, sondern könnten weiterhin Förderschulen wählen. Experten gingen davon aus, dass in zehn Jahren etwa 85 Prozent aller Förderschüler allgemeine Schulen besuchen. Die Inklusionsrate in Kitas betrage heute bereits 80 Prozent. Meist würden sich Eltern dieser Kinder auch für die Regelschule entscheiden, so Hendricks.
Der CDU-Bildungsexperte Klaus Kaiser warf Rot-Grün vor, keine Aussagen zur Finanzierung zu machen. Es gebe auch keine Festlegungen zur Lehrer-Doppelbesetzung von Inklusionsklassen und keine Garantie für die notwendige Fortbildung der Schulkollegien.
Nach dem Willen von SPD und Grünen sollen die "Vorreiterschulen" ein "Startbudget" erhalten, um damit behindertengerechte Ausstattung der Gebäude, sonderpädagogischen Lernmaterialien und die Aus- und Fortbildung der Lehrer zu finanzieren. Für die Lehrerfortbildung an Inklusionsschulen sind im Entwurf für den Landeshaushalt 2012 fünf Millionen Euro vorgesehen. Ein Teil der Lehrkräfte an Förderschulen soll von den Regelschulen übernommen werden.
Etwa 80 Prozent der Förderschulen in NRW fielen wegen rückläufiger Schülerzahlen inzwischen "unter die Bestandsgrenze", erklärte Behr. Dennoch gehe sie davon aus, dass es auch nach dem zehnjährigen Inklusionsprozess Förderschulen geben werde. "Ganz ohne werden wir nicht auskommen." Die Grünen-Politikerin appellierte an die CDU-Opposition, den rot-grünen Eckpunkten zur inklusiven Schule zuzustimmen, "weil wir hier einen breiten gesellschaftlichen Konsens brauchen".