"IDR nicht um jeden Preis behalten"

Herr Conzen, SPD-Fraktionschef Markus Raub hält die Schuldenfreiheit der Stadt nicht für einen Wert. Ist sie das denn?

Conzen Für uns ist sie von außerordentlichem Wert, denn sie gibt sehr viel Freiheit. Früher mussten wir jedes Jahr bis zu 130 Millionen Euro Zinsen zahlen. Dieses Geld haben wir dank der seit 2007 bestehenden Schuldenfreiheit investieren können – in Schulen, in Sportstätten, in Kitas. Außerdem zeigt die Euro-Krise gerade, dass diejenigen mit den höchsten Schulden die größten Probleme haben.

Der Landtagswahlkampf der CDU zum Thema Schulden hat aber nicht funktioniert. Ist der Wähler undankbar?

Conzen Dankbarkeit ist keine Kategorie, nach der Wähler entscheiden. Der Wahlkampf hat gezeigt, dass die finanzielle Strategie der Politik viele Bürger nicht interessiert. Es ist offenbar schwierig, deutlich zu machen, welche Möglichkeiten wir durch die Schuldenfreiheit haben.

Fürchten Sie wegen der relativ guten Finanz-Situation Begehrlichkeiten?

Conzen Eigentlich müsste Herr Oberbürgermeister Elbers mit allen Ratsleuten und Bezirkspolitikern eine Bustour durchs Ruhrgebiet machen, damit sie sich die Situation dort mal anschauen. Einigen fehlt manchmal der Überblick, um beurteilen zu können, wie gut es uns in Düsseldorf geht. Das merken wir auch beim Einzelhandel. Wir leben wirklich auf einer Insel der Glückseligen.

Die SPD schließt "rentierliche Schulden" nicht aus ...

Conzen Für manche rentieren sich Schulden natürlich, zum Beispiel für die Banken. Wenn jemand für sein Kind keinen Kitaplatz bekommt und eine Stadt Kredite aufnimmt, um einen Kindergarten zu bauen, mag das für den Betroffenen rentierlich sein. Für die Kommune selbst sind Schulden aber immer die schlechtere Variante.

Wie wird die Überschrift sein, mit der Sie in die nächsten Jahre bis zur Kommunalwahl 2014 gehen?

Conzen Wir wollen nach den vielen Baustellen durch die Bauprojekte in der Innenstadt dort wieder mehr Ruhe einkehren lassen. Mit der Schadowstraße hört es ja nicht auf. Wir müssen auch die Entwicklung am Wehrhahn im Blick behalten.

Ist Beruhigung nicht zu wenig? Sie können doch nicht als einzige Botschaft haben, dass es auf den OB ankommt.

Conzen Vor allem auf ihn kommt es an. Weshalb sollte man ein Pferd, das gut zieht, auswechseln? Politik ist so kurzlebig, dass man heute noch nicht sagen kann, was den Leuten 2014 auf den Nägeln brennen wird.

Herr Elbers hat gesagt, wieder als OB-Kandidat der CDU antreten zu wollen. Wen erwarten Sie bei der SPD?

Conzen Keine Ahnung. Die Bekannteste ist sicherlich Frau Hock. Die Frage ist nur, wie oft man es sich antun kann, zu scheitern.

Die SPD wird sich im Kommunalwahlkampf für mehr bezahlbaren Wohnraum einsetzen. Was setzen Sie dem entgegen?

Conzen Dass das in Düsseldorf ein herbeigeredetes Problem ist. Mit Projekten wie der früheren Reitzensteinkaserne oder Grafental schaffen wir neuen Wohnraum, auch im preiswerteren Bereich. Außerdem werden ja auch günstigere Wohnungen frei, wenn Leute Karriere machen und in höherpreisige Wohnungen ziehen.

Aber die Mieten in Düsseldorf steigen.

Conzen In fast allen deutschen Großstädten wird Wohnen teurer. Politiker, die versprechen, mehr billigen Wohnraum zu schaffen, streuen den Bürgern Sand in die Augen. Ich halte auch Quoten, die festlegen, wie viele Sozialwohnungen Investoren zu bauen haben, für falsch. Es kommt immer auf das Umfeld an.

Das Wohnen wird teurer, weil Düsseldorf an Einwohnern wächst. Lässt sich das Wachstum steuern?

Conzen Wir sind jetzt bei rund 590 000 Einwohnern, etwas über 600 000 wären machbar. Mehr sollten es aber nicht sein. Wir können es dadurch regeln, dass wir Freiflächen auch an den Rändern der Stadt erhalten und nicht – wie von Rot-Grün gefordert – zubauen lassen. An einigen Stellen kann ich mir auch Wohnhochhäuser vorstellen. Wir wollen aber keinesfalls Siedlungen wie sie die Neue Heimat einst in Ratingen hingeklotzt hat oder wie sie teils in Garath stehen.

Das Rathaus nimmt in diesem Jahr 100 Millionen Euro weniger Gewerbesteuer ein, als geplant. Müssen sich die Bürger daran gewöhnen, dass auch hier gespart wird?

Conzen Bei einem Haushaltsvolumen von 2,4 Milliarden Euro fallen 100 Millionen nicht so sehr ins Gewicht. Aber als Standort von Banken und Versicherungen sind wir natürlich betroffen von der Krise und müssen diese Summe kompensieren, um die Schuldenfreiheit zu erhalten. Die Bürger werden das aber nicht merken. Die Kitas zum Beispiel bleiben für Kinder von drei Jahren an bis zum Schuleintritt beitragsfrei. Auch wenn ich das anders gestaltet hätte . . .

Wie denn?

Conzen Ich hätte das nach Einkommen gestaffelt. Wer 150 000 Euro oder mehr im Jahr verdient, wird es kaum merken, wenn er für die Betreuung seiner Kinder zahlen muss.

Aus der Kultur, etwa vom Intendanten des Schauspielhauses, gibt es Klagen über Sparvorgaben. Wurde der kulturelle Bereich in der Vergangenheit zu sehr verwöhnt?

Conzen Es muss nicht immer teuer sein. Wir hatten schon Inszenierungen, die preiswert in der Produktion und besonders erfolgreich waren. Wenn man nicht bereit ist zu sparen, muss man eben losgehen und sich das Geld selbst besorgen. Bei der Deutschen Oper am Rhein ist beispielsweise die WGZ-Bank der Hauptsponsor. Beim Kunstpalast ist es Eon. Herr Teyssen (Vorstandsvorsitzender Eon, Anm. d. Red.) und seine Frau haben wirklich eine starke Bindung zur Stadt und dem Museum. Da gibt es noch viele solcher Möglichkeiten, die Institutsleiter kümmern sich bisher nur nicht darum.

Sie wollen also Investoren stärker in die Pflicht nehmen, sich auch gesellschaftlich in Düsseldorf zu engagieren?

Conzen Ja, das kann in der Kultur sein, aber auch im Sozial- oder Sportbereich.

Aber muss Kunst nicht frei sein vom Einfluss der Wirtschaft?

Conzen Es ist schwer vorstellbar, dass die WGZ Einfluss auf das Ballett oder die Oper nimmt.

Die Stadttochter Industrieterrains Düsseldorf-Reisholz IDR, die Projekte entwickelt und Immobilien wie den Rheinturm besitzt, war in einen Skandal verwickelt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Dabei ging es auch um eine teure Party für die CDU-Fraktion. Was ist der aktuelle Stand?

Conzen Wir waren eingeladen, hatten aber nicht den Eindruck, dass es eine sehr kostspielige Bewirtung war. Ich empfand das damals nicht als übertrieben. Ich gebe auch offen zu, als Fraktionschef die sechs Flaschen Champagner von der IDR angenommen zu haben. Das würde ich heute nicht mehr machen.

Das ist ja kein Problem, Sie sind ja kein Beamter oder Aufsichtsrat und damit möglicherweise Amtsträger . . .

Conzen Wenn sich zum Beispiel ein Baudezernent durch sechs Flaschen Champagner bestechen lässt, dann haben wir einen Fehler bei der Personalauswahl gemacht.

Wie soll es mit der IDR als Unternehmen weitergehen?

Conzen Wir müssen überlegen, was künftig die Aufgaben sein können. Das ist nicht so einfach, weil vieles, was die IDR früher übernommen hat, inzwischen europaweit ausgeschrieben werden muss.

Ist ein Verkauf der IDR denkbar?

Conzen Ich halte ihn nicht für ausgeschlossen. Es ist nicht vernünftig, die IDR um jeden Preis zu halten. Und ich finde auch nicht, dass die Stadt Projekte wie den Neubau der Albrecht-Dürer-Schule immer selbst machen muss. Das kann man auch Investoren bauen lassen, die Stadt gibt dann eine Mietgarantie.

Herr Conzen, ein Blick nach vorne: Welche Rolle werden Sie nach der Kommunalwahl 2014 spielen?

Conzen Ich habe nach wie vor große Lust auf Kommunalpolitik. Wenn ich gewählt werde und mich gesundheitlich wohlfühle, möchte ich mich auch nach 2014 noch aktiv einbringen. Aber in die hinterste Bank werde ich mich sicherlich nicht setzen.

Das Gespräch führten Sven Gösmann, Christian Herrendorf und Denisa Richters

(RP)
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