Duisburg Duisburg nach der Abwahl

Duisburg · Adolf Sauerland (CDU) ist am Morgen nach seiner Wahlniederlage ins Rathaus zurückgekehrt, um seinen Abschied vorzubereiten. Bei vielen seiner Mitarbeiter herrscht Verunsicherung. Seine mögliche Nachfolgerin, SPD-Bundestagsabgeordnete Bärbel Bas, besuchte gestern eine Schule.

Das Schild mit seinem Namen hängt noch an der wuchtigen Holztür (Zimmer 123/124) in der ersten Etage des Duisburger Rathauses. Adolf Sauerland (CDU) ist am Morgen nach seiner Abwahl als Oberbürgermeister früh in sein Büro gekommen, um seinen Schreibtisch aufzuräumen und seinen Abschied vorzubereiten. Es sei ein sehr emotionaler Moment gewesen, berichtet eine seiner Mitarbeiterinnen. "Ich habe mit den Tränen gekämpft, als er mich gegrüßt hat. Er sah so traurig aus." Als letzte Amtshandlung wird der 56-Jährige morgen noch sein Diensthandy und die Schlüssel abgeben. Dann übernimmt sein Parteifreund, Bürgermeister Benno Lensdorf, bis zu den Neuwahlen kommissarisch sein Amt als oberster Repräsentant der Stadt Duisburg.

In der Rathauskantine nahe Sauerlands Amtszimmer gibt es an diesem Mittag Chili con Carne für 3,20 Euro und Frikadellen mit Senf. Viel ist um 12.30 Uhr noch nicht los. Zwei junge Frauen sitzen mit Cola und Schokoriegeln an einem der Tische. Sie unterhalten sich über die verstorbene Soulsängerin Whitney Houston. Über die Abwahl ihres obersten Dienstherren wollen sie nur ungern sprechen. Sie hätten Angst, so sagen sie, etwas Falsches zu erzählen, das ihnen später von ihrem neuen Chef negativ ausgelegt werden könnte. Als zwei Männer in dunklen Anzügen den Raum betreten, stehen die Frauen mit betretenen Minen auf und gehen – das zeigt, wie groß die Verunsicherung auf den Fluren des Rathauses ist.

Ralf Baum ist seit vielen Jahren Hausmeister im Rathaus. Er ist schon da gewesen, als Josef Krings (SPD) noch Oberbürgermeister der Stadt Duisburg (1975 bis 1997) war. Er erinnert sich gut daran, wie Sauerland im Oktober 2004 nach einer Stichwahl mit Bärbel Zieling (SPD) sein Amt angetreten hat. "Es herrschte sofort frischer Wind auf den Fluren. Es war wie ein Befreiungsschlag", sagt er während seiner Kaffeepause in der Kantine. Man habe wieder Spaß gehabt, zur Arbeit zu gehen. "Adolf Sauerland hat bis heute für jeden stets ein nettes Wort parat, selbst die Handwerker grüßt er immer freundlich – er ist ein guter Mann", sagt Baum, trinkt seinen Kaffee aus und macht sich wieder an die Arbeit. Das Podium vor dem Mercator-Saal, auf dem am Vorabend noch das Wahlergebnis von Stadtdirektor Peter Greulich (Grüne) bekanntgegeben worden ist, muss noch abgebaut werden.

Gisela Gille steht mit ihrem Taxi vor dem Duisburger Hauptbahnhof. Die 58-Jährige hat gerade einen jungen Mann abgesetzt, der mit dem Zug nach Paderborn weiterfahren will. Ihre Schicht dauert schon sechs Stunden, vier hat sie noch. Ihre Kunden haben nur ein Gesprächsthema: Adolf Sauerland. Sie kann sich an keinen Fahrgast erinnern, der sie nicht auf die Abwahl angesprochen hat. "Die Leute sind froh, dass er weg ist", sagt sie. Seit der Katastrophe bei der Loveparade sei die Stimmung in der Stadt nicht mehr so gut gewesen wie an diesem Tag. "Ich hoffe, dass jetzt auch endlich Ruhe einkehrt und das leidige Thema ein für alle Mal vom Tisch ist", sagt sie. Ein Taxi weiter wartet Erol G. mit laufendem Motor auf Fahrgäste. Er sitzt vor seinem Lenkrad und blättert in der Zeitung. Auf Sauerland angesprochen, greift er in seine rechte Jackentasche, zückt sein Portemonnaie und zieht ein zerknittertes, leicht vergilbtes Foto aus der Brieftasche. Die Aufnahme zeigt ihn neben Adolf Sauerland stehend – umrahmt von seiner Verwandtschaft. Das Bild habe sein Vater vor einigen Jahren vor der Moschee in Marxloh geschossen. "Sauerland gehört zu meiner Familie – dazu wird er immer gehören", sagt er. "Er hat so viel Gutes für uns Türken gemacht. Dafür werden wir ihm ewig dankbar sein."

Bundestagsabgeordnete Bärbel Bas (SPD) ist nach der Siegesfeier im Café Museum am Kantpark nicht zurück nach Berlin gefahren. Sie bleibt die ganze Woche in ihrer Heimatstadt bei ihrem Mann. Als mögliche OB-Kandidatin ihrer Partei steht sie am Tag nach der Wahl vor Schülern in der Mensa des Mercator-Gymnasiums im Arbeiterviertel Hochfeld. Die Schüler beschäftigen sich im Rahmen einer Projektwoche mit dem Namensgeber ihrer Schule, dem berühmtesten Sohn der Stadt, Gerhard Mercator. Bärbel Bas lässt sich von den Jugendlichen in der Schulküche vorführen, wie im 16. Jahrhundert zu Zeiten des berühmten Kartografen gekocht worden ist. Es gibt Gulasch, Salat und Brot. Zum Probieren bleibt keine Zeit. Die 43-jährige Politikerin hat es eilig. Sie will noch andere Klassen besuchen, ehe sie sich mit ihren Parteikollegen trifft, um über den Nachfolger von Adolf Sauerland zu diskutieren – eine eigene Kandidatur hat sie bislang nicht ausgeschlossen.

In seinem Imbiss am Eingang des Hauptbahnhofs kippt Willi Enders (28) Pommes in die Fritteuse. Seine Curry-Wurst mit Fritten kann er nur empfehlen, 4,15 Euro die Portion – ohne Mayonnaise. Sauerland sei aber bei ihm noch nicht essen gewesen. Zu seiner Abwahl sagt er: "Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird."

Fünf Gehminuten weiter, gegenüber des Einkaufszentrums Forum, sitzen Elisabeth Kammrath (79) und Renate Schuster (68) mit Käsesahnetorte und Milchkaffee im vornehmen Café Dobbelstein an der Königstraße. Zur Wahl sind die beiden Frauen gestern nicht gegangen. CDU-Parteichef Thomas Mahlberg, so sagen sie, der habe doch dazu aufgerufen, zu Hause zu bleiben. Nun sorgen sie sich um Sauerland. "Er sah so niedergeschlagen aus", bemerkt Schuster. "Ich wünsche ihm, dass er schnell wieder auf die Beine kommt", sagt Kammrath.

Das hoffen auch die Angestellten der Rathauskantine. Und sie wünschen sich, dass der OB noch einmal zum Essen bei ihnen vorbeischaut. "Dann machen wir für ihn auch sein Lieblingsgericht – Linsensuppe, die ißt er doch so gerne."

(RP)
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