Interview mit Dauer-Weltreisenden "Es ist schwerer zurückzukommen als loszufahren"

DüsseldorfAmsterdam · Über vier Jahre reiste die Holländerin Maartje Smit um den Globus. Dann hatte sie genug vom paradiesischen Leben, fuhr nach Hause und suchte sich einen Bürojob. Wie es ist, die Strandklamotten nach Jahren gegen den Bürolook zu tauschen - und warum sie für den Winter wieder eine Fernreise plant.

Maartje Smit: Seit vier Jahren um die Welt
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Maartje Smit: Seit vier Jahren um die Welt

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Foto: Maartje Smit/ Facebook Wanderlicious

Frau Smit, Sie reisen jetzt seit vier Jahren non-stop, und plötzlich posten Sie auf Ihrer Facebook-Seite, dass es Sie nach Hause zurück zieht, und Sie sesshaft werden wollen. Was ist passiert?

Smit Inzwischen weiß ich, dass ich das Reisen niemals wirklich aufgeben kann. Aber zu diesem Zeitpunkt kamen verschiedene Dinge zusammen: Ich hatte kein Geld mehr, wollte irgendwo arbeiten und hatte das Bedürfnis, länger an einem Ort zu bleiben als nur eine Woche. Denn letztes Jahr bin ich kreuz und quer durch die Welt gereist. Ich war im Mittleren Osten, bin in ein Auto gesprungen und von England in die Mongolei gefahren, dann weiter nach Japan und Süd Korea geflogen, weiter nach Thailand, nach Dänemark und Spanien. Von dort bin ich per Kreuzfahrt über den Atlantik nach Brasilien gefahren, habe ganz Süd-Amerika bereist bis hin zur Antarktis. Ganz ehrlich, danach hatte ich das Gefühl, mal für eine Weile an einem Ort bleiben zu müssen. Dann ergab sich eine Chance in den Niederlanden, und ich habe sie genutzt. Außerdem wollte ich mal wieder in der Nähe von Freunden und Familie sein.

Und wie hat Ihre Familie reagiert, als Sie gesagt haben, dass Sie nach Hause kommen? Ich vermute, Sie wohnen bei ihnen?

Smit Meine Eltern leben in Frankreich und meine Schwester lebt in Apeldoorn. Deshalb ist vor allem meine Schwester froh, mich wieder so nah bei sich zu haben. Meine Eltern sind zufrieden, so lange es mir gut geht. Ich kümmere mich im Moment um ein Haus mit drei Katzen, während der Besitzer drei Wochen weg ist. So muss ich keine Miete bezahlen.

Und wie war es zurückzukommen?

Smit Ganz ehrlich, vor allem am Anfang hatte ich eine Art Kulturschock. Man könnte sagen, ich hatte einen umgedrehten Kulturschock. Die Niederlande haben sich überhaupt nicht mehr wie zu Hause angefühlt. Vermutlich weiß jeder, der schon einmal länger gereist ist, was ich meine. Man redet immer davon, wie faszinierend und lebensverändernd lange Reisen sind. Worüber keiner spricht ist, dass es tatsächlich viel schwerer ist zurückzukommen, als von zu Hause wegzufahren.

Wie meinen Sie das?

Smit Hier hat sich nichts und niemand verändert - ich mich aber schon! Während der letzten 4,5 Jahre auf Reisen hat die Welt meine Sichtweise verändert und zwar auch in Bezug darauf, wie ich andere wahrnehme. Ich bin zu der glücklichsten und selbstsichersten Version meiner selbst geworden. Und eigentlich dachte ich, nach Hause zu kommen, würde nur ein neues Abenteuer in meinem Leben sein. Aber vor allem der Vollzeitjob war einfach zu viel für mich, deswegen musste ich kündigen.

Was für einen Vollzeitjob haben Sie denn angenommen?

Smit Ein Freund von mir hat mir in seiner echt tollen IT-Firma einen Job als Projektmanagerin angeboten. Ein Job, bei dem ich alle Freiheiten der Welt hatte, bei dem man häufig zum Kunden fährt und auch wirklich nicht jeden Tag dasselbe macht. Aber der Tag beginnt immer sehr früh. Man hat nur 28 Urlaubstage und nicht gerade viel Freizeit. Man steckt im Grunde einfach fest.

Es ist Ihnen also richtig schwer gefallen, jeden Tag dort zu erscheinen?

Smit Auf jeden Fall. Ich hatte zwar ein neues Auto, ein neues Laptop und ein Telefon mit Flatrate. Aber wenn man so viel von der Welt gesehen hat wie ich und einmal verstanden hat, dass man auch ganz anders leben kann - warum sollte man dann die Uhr zurückdrehen? Tausende Niederländer arbeiten hart für ihr Wochenende, ihren Urlaub oder ihre Rente, um teure Sachen kaufen zu können oder um teuer essen zu gehen - das ist einfach nicht mehr mein Lebenstil. Ich möchte wahrhaftig leben und sehne mich sogar noch mehr danach, die Welt zu erkunden.

Auf Reisen tragen Sie doch sicher die meiste Zeit Flipflops und leichte Kleidung, wie war es mal wieder in Bürokleidung zu stecken?

Smit Ja, das war echt hart. Ich hatte aber auch nicht damit gerechnet, dass es mir so schwer fallen würde, wieder in High-Heels zu laufen. Früher hatte ich die dauernd an, aber wenn ich reise, laufe ich entweder barfuß oder trage Flipflops.

Wenn ich das richtig verstehe, haben Sie Ihren Vollzeitjob dann auch gekündigt und als Barkeeperin angefangen. Warum?

Smit Es ist eine Firma, und entsprechend wird dort voraus geplant. Ich konnte aber nicht einfach so tun, als ob es mir dort gefällt - und entsprechend auch nicht zusagen, dass ich für ein Jahr bleiben würde. Deshalb schien es mir ehrlicher, nach einem Monat zu kündigen. Man hätte den Job mindestens vier Monate machen müssen, aber ich habe Probleme damit, mich so festzulegen. Für mich war es besser hinzuwerfen, als nur wegen des Geldes weiterzumachen. Das wäre für mich kein guter Grund gewesen. Und in einer Bar zu arbeiten, macht mir Spaß. Ich würde es auch umsonst machen, wenn ich das Geld nicht für mein Flugticket im Winter brauchen würde. Es ist, als ob man das ganze Wochenende ausgeht, ohne etwas dafür bezahlen zu müssen. Und in meiner Freizeit arbeite ich an meiner Webseite Wanderlicious, weil ich eine professionelle Reisebloggerin werden will.

Und was hat am Ende dazu geführt, dass Sie sich entschieden haben, doch wieder Reisen zu wollen?

Smit Ich möchte einfach im Augenblick leben. Ich mag es, mich um den Aufbau meiner eigenen Firma zu kümmern, und die Möglichkeit zu haben, von überall zu arbeiten. Vielleicht lebe ich für eine Weile in Kapstadt oder ich gehe zurück nach Honduras und arbeite als Tauchlehrer. Wer weiß. Aber genau dieses Gefühl, dass alles möglich ist, macht mich glücklich.

Wie viel Geld brauchen Sie denn, um sich auf Ihren Reisen finanzieren zu können?

Smit Auf Reisen gebe ich zwischen 600 und 1000 Euro im Monat aus. Das hängt davon ab, wo ich hinreise. Wenn ich in Honduras lebe, reichen mir 400 Euro für meinen Lebensunterhalt pro Monat, und so kann ich locker 1000 Euro monatlich als Tauchlehrer sparen. Deshalb habe ich dort zwischendurch auch schon neun Monate gelebt.

Das letzte Mal haben wir uns 2015 unterhalten. Was war Ihr bestes Reiseerlebnis seitdem?

Smit Auf jeden Fall die Antarktis! Aber auch, den Atlantik auf einem Kreuzfahrtschiff zu überqueren. Und der Karneval in Rio. Was für ein Leben, oder?

Und was war das Wichtigste, das Sie im letzten Jahr gelernt haben?

Smit Dass man machen sollte, was einen glücklich macht. Man muss seinem Herz folgen. Ich bin das beste Beispiel. Obwohl ich mir sicher war, dass ich endgültig nach Hause kommen und einen Vollzeitjob machen wollte, habe ich letztlich doch alles anders gemacht. Klar, die Leute fragen mich immer: "Warum hast du so einen guten Job gekündigt, um hinter der Bar zu arbeiten?" Aber ganz ehrlich: Was ist ein guter Job? Ist es nicht vor allem einer, der einen glücklich macht?

(ham)
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