Hamburg Wo die Pilzköpfe ein Schwein kauften

Vor 60 Jahren, am 17. August 1960, traten die Beatles erstmals auf. Eine strahlende Frau mit Ukulele erinnert heute an John, Paul, George und Ringo: Stefanie Hempel führt mit Live-Musik zu Schauplätzen, an denen die Karriere der Kultband startete.

 Der Beatles-Platz an der Reeperbahn würdigt John, Paul, George und Ringo mit Silhouetten aus Metall.

Der Beatles-Platz an der Reeperbahn würdigt John, Paul, George und Ringo mit Silhouetten aus Metall.

Foto: St. Pauli Museum, Hamburg

Das kann richtig peinlich werden: Eine Anfang-Vierzigerin erklärt ergrauten Beatles-Fans die Bandgeschichte und schmettert zwischendurch Hits der Fab Four zur Ukulele – „bitte mitsingen!“ Bei so was haben sich schon etliche Cover-Bands im Ton vergriffen. Nicht aber Stefanie Hempel. Nach ihren ersten Akkorden von „Please, Please Me“ ist klar: Die gebürtige Mecklenburgerin hat auch diese Gruppe mit toller Stimme und Strahle-Charme erobert. Gesundheitsschuhe der Gäste wippen im Takt, ihre Besitzer singen vom Refrain mindestens schon mal das „oh yeah“ mit. Mit diesem sympathischen Auftakt hat Stefanie Hempel das „Ticket To Ride“ bei ihren Gästen gelöst, gespannt erwarten sie nun ihre Geschichten, und die gibt es – etwa am Beatles-Platz, einer stilisierten XXL-Schallplatte mit den fünf Musikern aus Edelstahl drauf.

Hier kamen sie an, im Sommer 1960, Milchbubis mit Elvis-Tolle und mackerhaften Lederjacken allesamt, zum ersten Mal von zu Hause weg und bloß dritte Wahl. Denn nur, weil zwei andere Liverpooler Bands abgesagt hatten, wurden die Beatles engagiert. „Mit Schlagzeug“ stand im Vertrag. Hatten John, Paul, George und der damals zur Band gehörende Stuart Sutcliff aber nicht. Weshalb sie ihren Kumpel Pete Best zum Hamburg-Trip überredeten, denn er hatte kurz zuvor wenigstens ein paar Trommeln und Becken geschenkt bekommen. Stefanie Hempel erzählt das weder im Stile einer allwissenden Diplom-Beatologin noch mit Star-Heiligenschein, sondern sympathisch augenzwinkernd, und zeigt dazu Fotos in einer Mappe.

Nächster Stopp: „Große Freiheit“. An dieser Vergnügungsmeile wohnt Hempel, hier lagen drei der vier Clubs, in denen die Beatles von Rock’n’Roll-Rüpeln zu Pop-Talenten reiften. Ein Ortstermin ist also Pflicht. „Am 17.8.1960 betraten die Beatles die Bühne des ‚Indra’. Es war ihr erstes Deutschland-Engagement und der Beginn einer großen Karriere“, steht etwas pathetisch auf einer Tafel am roten Backsteinhaus. Stefanie Hempel rückt das gleich augenzwinkernd zurecht – mit dem Hinweis auf ein vergilbtes Plakat: „Anspruchsvolle Entkleidungsrevue“. „Die war die Rettung der Beatles“, erzählt Hempel, „hatten sie doch damals gerade für eine Stunde eingeübte Titel und waren froh, dass eine Stripperin ihnen bei den ersten Konzerten ein paar Verschnaufpausen verschaffte, denn die Band musste meist von 19 Uhr bis zum Morgengrauen spielen, angetrieben vom fiesen Clubbesitzer Bruno Koschmider.“ Die Beatles-Expertin garniert diese Geschichte am Straßenrand mit einer fetzigen Strophe von „Rock`n Roll-Music“ auf ihrer Ukulele, dem Lieblings-Instrument von George Harrison. Nun singt Hempels Gruppe geschlossen mit und pilgert weiter zum „Kaiserkeller“, der zweiten Beatles-Bühne und dem marmornen „Star-Club“-Erinnerungsstein gegenüber.

„Und was soll jetzt noch kommen“, raunt ein Beatles-Kenner, „die Jungs haben sich doch nur hier auf dem Kiez rumgetrieben.“ Von wegen. Stefanie Hempel erzählt vom Haus der Fotografin und Pilzkopf-Erfinderin Astrid Kirchherr, wo die Beatles sich mal sattessen und sauberduschen durften. Hempels Gäste erfahren, wo die Band ihre Instrumente kaufte und wo sie am Hauptbahnhof ihre ersten, bis heute jedoch verschollenen Studioaufnahmen machte – „übrigens erstmals mit Ringo Starr am Schlagzeug“ – eine historische Wegmarke in der Bandgeschichte mit Hamburg-Bezug. Stefanie Hempel ist selbst Sängerin, 1998 fürs Studium an der Musikhochschule nach Hamburg gekommen, vor allem aber, weil sie in der Stadt leben wollte, in der die Beatles „erwachsen wurden“, wie John Lennon es einst formulierte.

Angesteckt mit dem Beatles-Virus wurde die Mecklenburgerin schon als neunjähriges Mädchen. Damals, in den Achtzigern, tönten aus dem Familien-Cassettenrecorder in Grabow bei Ludwigslust meist die „Puhdys“. Nicht etwa, weil Westmusik im Hause Hempel verboten gewesen wäre, sondern weil Stefanies Vater der Zahnarzt dieser Ost-Band war. Eines Tages aber ging der Dentist musikalisch fremd und legte „A Collection Of Beatles Oldies“ ein. Bei „She Loves You“, gleich dem ersten Song auf der Cassette, war´s um die kleine Stefanie geschehen – sie verliebte sich unsterblich in John Lennon. Wie es der Zufall wollte, kam ihr später die Idee zur Beatles Tour an Lennons Geburtstag, dem 9. Oktober. Im Radio lief aus diesem Anlass eine Reportage über eine Tour auf den Spuren der Fab Four durch Liverpool. So etwas müsste sich ja auch in Hamburg machen lassen, dachte Stefanie Hempel und machte sich auf die Suche nach Schauplätzen und Zeitzeugen.

 She loves them: Beatles-Expertin Stefanie Hempel ist großer Fan der Pilzköpfe und kennt alle ­Hamburg-Geschichten rund um die „Fab Four“.

She loves them: Beatles-Expertin Stefanie Hempel ist großer Fan der Pilzköpfe und kennt alle ­Hamburg-Geschichten rund um die „Fab Four“.

Foto: Stephan Brünjes

Zu ihrer großen Überraschung musste sie ziemlich stöbern, stieß aber bald auf Ulf Krüger, einen Musiker und Beatles-Sammler. Krüger kannte die Fab Four gut und gab bereits vor fast 20 Jahren einen kleinen Reiseführer heraus, mit dem man den Spuren der Beatles folgen kann. Hempel hat weitere Stationen ergänzt, meist mit umwerfenden Anekdoten: „Auf dem St. Pauli Fischmarkt kauften die Beatles – reichlich angetrunken – mal ein lebendes Schwein, verpassten ihm ein Halsband und zerrten es in Gedanken an den verhassten Indra- und Kaiserkeller-Besitzer Koschmider über die Reeperbahn – mit dem Anfeuerungsruf „Come on, Bruno!“

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