Sexismusdebatte WHO fordert Alkoholverzicht für Frauen im gebärfähigen Alter

Experten der Weltgesundheitsorganisation WHO plädieren in ihrem Entwurf zum aktuellen Alkohol-Aktionsplan dafür, dass Frauen im gebärfähigen Alter generell auf Alkohol verzichten sollten. Das Papier entfachte einen Proteststurm – nicht nur unter Frauen.

 Die WHO rät in ihrem aktuellen Entwurf allen Frauen im gebärfähigen Alter vom Alkoholkonsum ab.

Die WHO rät in ihrem aktuellen Entwurf allen Frauen im gebärfähigen Alter vom Alkoholkonsum ab.

Foto: dpa/Alexander Heinl

Kein Alkohol für Frauen im Alter von 18 bis 50 Jahren. Mit dieser Forderung haben die Macher des globalen Alkohol-Aktionsplans bei der Weltgesundheitsorganisation WHO sich keine Freunde gemacht. Vorerst ist es nur ein Entwurf, der für die Jahre von 2022 bis 2030 gelten soll. Trotzdem sorgte das Papier bereits in seiner ersten Fassung für Protest von allen Seiten.

Konkret heißt es in dem Entwurf der WHO: „Angemessene Aufmerksamkeit sollte der Verhinderung des Beginns des Alkoholkonsums bei Kindern und Jugendlichen sowie der Verhinderung des Alkoholkonsums bei schwangeren Frauen und Frauen im gebärfähigen Alter gewidmet werden". Damit sind also rund 35 Lebensjahre aller Frauen gemeint, rechnet man die gebärfähige Altersspanne in etwa von 15 bis 50 Jahre. Unabhängig davon, ob sie Kinder bekommen möchten oder nicht.

Die Absicht der Verfasser ist natürlich klar: Alkohol ist ein Zellgift, das dem Organismus in vielerlei Hinsicht schadet. Dazu ist es ein Rauschmittel, an dem nach WHO-Schätzungen pro Jahr weltweit etwa drei Millionen Menschen sterben. Die häufigsten Folgen langjährigen Alkoholkonsums sind Leberschädigungen (Leberzirrhose, Fettleber), Herz-Kreislauferkrankungen (Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen) und Schädigungen des Nervensystems. Und dass Alkohol während der Schwangerschaft ein absolutes Tabu sein sollte, weil er nicht nur die Mutter, sondern auch das ungeborene Kind massiv und nachhaltig schädigen kann, ist in der Medizin unstrittig. Werdende Mütter sollten keinesfalls Alkohol trinken.

Nun aber alle theoretisch gebärfähigen Frauen in den Aktionsplan einzubeziehen, stößt auf herbe Kritik: „Es ist äußerst beunruhigend zu sehen, wie die Weltgesundheitsorganisation die hart erkämpften Rechte der Frauen aufs Spiel setzt, indem sie versucht, ihre Körper und Entscheidungen auf diese Weise zu kontrollieren," schreibt die Geschäftsführerin des British Pregnancy Advisory Service (BPAS), Clare Murphy, in einer Pressemitteilung zum dem Entwurf der WHO. Härtere Worte fand Autor und Journalist Christopher Snowdon vom Institute of Economic Affairs: In der britischen Zeitung „The Telegraph“ bezeichnete er den WHO-Entwurf als „unwissenschaftlich, herablassend und absurd und eine klassische Idiotie“.

Alkoholkonsum ist ein generelles Reizthema. Zwar besteht unter Fachleuten über die zellschädigende Wirkung im Prinzip Einigkeit. Allerdings gibt es immer wieder unterschiedliche Auslegungsarten von Studiendaten. Die Risiken für gesundheitliche Schäden steigen mit dem Konsum. Daher melden sich auch unter Fachleuten immer wieder Stimmen, die Alkohol in geringem Maße als unbedenklich oder sogar gesundheitsfördernd einstufen. Die WHO hat zu derartigen Thesen eine andere Meinung: Lars Møller, Leiter des Programms „Alkohol und illegale Drogen“ beim WHO-Regionalbüro für Europa, sagte hierzu in einem WHO-Papier: „Manche Leute werden es nicht gern hören, aber ein unbedenkliches Maß für den Alkoholkonsum gibt es nicht.“ Die schädlichen Auswirkungen von Alkoholkonsum überstiegen jegliche Schutzwirkung bei weitem. Außerdem habe Alkohol bei Frauen wegen des geringeren Wasseranteils im Körper eine  höhere toxische Wirkung als bei Männern.

Die Europäische Region weist übrigens von allen Regionen der WHO den höchsten Alkoholkonsum auf, so  steht es in einem Lagebericht der Organisation. Dort führe Alkoholkonsum zu nahezu einer Million Todesfällen pro Jahr – das entspricht rund 2500 Menschen pro Tag.

Zur aktuellen Kritk an ihrem Entwurf hat sich die WHO bisher nicht geäußert. Dennoch wird sie das Papier wohl noch einmal überarbeiten müssen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort