Profi-Fußballer mit Defibrillator „Als ich Eriksens Sturz gesehen habe, war die Angst wieder da“

Düsseldorf · Daniel Engelbrecht brach 2013 bei einem Fußballspiel zusammen. Er bekam einen Defibrillator eingesetzt – und spielte weiter. Heute sagt er: „Ich habe mein Leben aufs Spiel gesetzt.“ Den Herzstillstand von Christian Eriksen sieht er als Beispiel dafür, dass im Profifußball die Gesundheit der Spieler riskiert wird.

 Ex-Fußballprofi Daniel Engelbrecht.

Ex-Fußballprofi Daniel Engelbrecht.

Foto: dpa

Als Christian Eriksen alle Körperspannung verliert und stürzt, kriecht ein kalter Schauer über Daniel Engelbrechts Rücken. Von böser Vorahnung getrieben, stehen die Haare des jungen Mannes zu Berge. Die Szene beim EM-Spiel zwischen Dänemark und Finnland kommt ihm unheimlich bekannt vor. Engelbrecht hat sie selbst erlebt.

Am 20. Juli 2013 sprintet er über das Spielfeld, als plötzlich seine Beine zittern, er nichts mehr hört und ihm schwarz vor Augen wird. Es ist Engelbrechts erstes Spiel für die Stuttgarter Kickers, der Saisonstart. Der Stürmer ist hoch motiviert, will für den neuen Verein Leistung und Einsatz zeigen. Nachdem er das Bewusstsein zurückerlangt, setzt Engelbrecht das Spiel fort – insgesamt zehn Minuten. „Ich hätte immer weiter gemacht, wenn mich der Trainer nicht ausgewechselt hätte“, erzählt er.

Daley Blind und Co. – Diese Sportler sind mit Defibrillator aktiv
9 Bilder

Diese Sportler sind mit Defibrillator aktiv

9 Bilder
Foto: AFP/KENZO TRIBOUILLARD

Beim damals 22-Jährigen wird eine Herzmuskelentzündung und eine chronische Herzrhythmusstörung festgestellt. Engelbrecht muss mehrfach operiert werden, er bekommt einen Defibrillator eingesetzt.

Ein halbes Jahr erholt sich der gebürtige Kölner von der Behandlung, dann zieht es ihn zurück auf den Platz. Er wird der erste Leistungssportler in Deutschland, der diesen Schritt wagt. „Fußball war immer mein großer Traum. Ich wollte zurück, koste es, was es wolle“, erinnert er sich. „Dabei habe ich mein Leben aufs Spiel gesetzt. Das würde ich heute auf keinen Fall wieder so machen.“

EM 2021: Dänen und Belgier feiern gemeinsam Christian Eriksen
18 Bilder

Dänen und Belgier feiern gemeinsam Christian Eriksen

18 Bilder
Foto: AFP/JONATHAN NACKSTRAND

Engelbrecht steigert das Trainingspensum und kann ein Jahr nach dem Kollaps wieder ein Pflichtspiel bestreiten. Seiner früheren Leistung läuft er verzweifelt hinterher: „Ich konnte mit maximal 60-70 Prozent spielen, für mehr hat es nicht gereicht.“

Mental sind die Folgen ebenso gravierend. Der Spieler hat Panikattacken, die Angst vor einem Rückfall ist ständig präsent. Ein Gespenst, dass ihm im Nacken sitzt. Schrittweise kann er es abschütteln, doch muss gleichzeitig feststellen, dass seine Sorgen durchaus begründet sind.

Drei Mal muss der Defibrillator Engelbrecht in den folgenden Jahren das Leben retten. Einmal bleibt sein Herz beim Training stehen, einmal erneut während eines Spiels.

Erst ignoriert der Leistungssportler die Warnungen der Ärzte, doch irgendwann kommt er selbst zur bitteren Erkenntnis: „So geht es nicht mehr weiter.“ Der Stürmer beendet seine aktive Karriere, die ihn inzwischen zu Rot-Weiß Essen führte.

Ob er Eriksen das Gleiche raten würde? „Ich kenne natürlich seine genaue Diagnose nicht, aber es kann gut sein, dass da etwas kaputt gegangen ist. Jeder muss selbst entscheiden, ob er das Risiko eingehen will“, sagt Engelbrecht. Der Defibrillator, Kostenpflichtiger Inhalt den Eriksen eingesetzt bekommt, beseitige schließlich nicht die Probleme, sondern sei ein Rettungsanker.

Heute arbeitet Engelbrecht als Motivationstrainer und spricht mit unterschiedlichsten Berufsgruppen über Achtsamkeit und den Wert der eigenen Gesundheit. „Es ist wichtig auf den eigenen Körper zu hören, und Rücksicht zu nehmen“, erzählt er. Gerade im Profisport sei das oft leichter gesagt, als getan. „Vor allem Fußballer sind für Herzmuskelentzündung prädestiniert. Der Konkurrenzdruck ist hoch. Deswegen wird lieber mit einer Erkältung weiter trainiert, statt eine notwendige Pause zu machen.“

Mit der Angst vor erneuten Herzproblemen könne er im Alltag gut umgehen. Doch es gibt Ausnahmen: „Als ich Eriksens Sturz gesehen habe, war sie augenblicklich wieder da. Ich konnte mich genau in seine Lage hineinversetzen“, sagt der 30-Jährige. Aus seiner Sicht sind solche Vorfälle auf jeden Fall vermeidbar: „Natürlich kann man nichts zu 100 Prozent ausschließen, aber das Risiko durch sorgfältige Kontrollen auf jeden Fall stark einschränken.“ Bei ihm sei vor dem Vorfall nie seine chronische Herzrhythmusstörung diagnostiziert worden.

Engelbrecht hat die leise Hoffnung, dass durch Eriksens öffentlichen Kollaps dem Thema „Gesundheit im Profisport“ vielleicht in Zukunft mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. „Das wird aber wahrscheinlich nicht so sein“, sagt er. „Dabei wäre es dringend nötig.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort