Demenz und Alzheimer Clowns helfen im Kampf gegen das Vergessen

Köln · Wer lachen kann, ist noch Mensch. Egal, ob er mit Demenz, Krebs oder einfach nur dem Alter kämpft. Wie sehr das zutrifft, zeigt die Arbeit der Klinik-Clowns. Sie zaubern nicht nur Frohsinn in faltige Gesichter, sondern geben auch den Angehörigen wieder Hoffnung.

Zu Besuch bei den Kölner Klinik-Clowns
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Zu Besuch bei den Kölner Klinik-Clowns

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Ruddi (Name von der Redaktion geändert) liegt reglos im Bett, als die beiden Klinik-Clown Jolla und Irrmine hüpfend sein Zimmer im Clara-Elisen-Stift in Köln betreten. Ob er die beiden schon erwartet oder nicht, ist unklar. Aber als sie sich an seine Bettkante setzen, kommt Regung in das schlaffe Gesicht.

Ruddi hat Alzheimer und ist bettlägerig. Die beiden Frauen mit den roten, runden Nasen stört das nicht. "Hallo, wir sind wieder da" ruft die eine und streicht Ruddi lächelnd über den Arm. "Wieder da, wieder da," wiederholt die andere und setzte sich auf die Bettkante. Dann stimmen sie ein Seemannslied an. Ruddi lächelt.

Aufdringlich wirken die beiden Clowninnen trotz großer Lache nicht. Die Schminke in Irrmines Gesicht fällt kaum auf. Darunter trägt sie ein schwarzes Oberteil mit roten Punkten, einen Peticoat und eine rote Strumpfhose mit schwarzen Punkten. Nur die beiden Pipilangstrumpfzöpfe und die aufgesetzte Clownsnase erinnern an das klassische Schelmkostüm. Die zwei gehören zu den insgesamt zehn Schelmen der Kölner Klinik Clowns.

Angefangen hat die Organisation vor 20 Jahren mit der Unterstützung von Kinderkrankenhäusern. Inzwischen gehen seine bunten Figuren auch in Hospize, onkologische Ambulanzen und in Pflegeeinrichtungen. "Unser Ziel ist es, für die Patienten mit den Mitteln des Clowns einen tröstlichen Moment zu schaffen", sagt Jolla, die im wirklichen Leben Bernadette Kalus heißt, und die künstlerische Leitung der Kölner Klinik-Clowns inne hat. "Gerade Demenzpatienten fühlen sich oft unzulänglich, weil sie so viel vergessen und schusselig sind. Der Clown steht dem aber vollkommen offen gegenüber. Er bewertet nicht, macht keine Vorwürfe, im Gegenteil."

Das Prinzip ist bekannt aus Dick und Doof oder Charlie Chaplin. Für den Clown sind Scheitern, Vergessen und Tollpatschigkeit eine wunderbare Beschäftigung. Er nimmt es nicht tragisch, sondern als Anlass zum Lachen.

Wie Scheitern glücklich macht

Wie gut das funktioniert zeigt sich im nächsten Raum. In dem Gemeinschaftszimmer, das die beiden Komikerinnen betreten, sind Demenzpatienten im fortgeschritteneren Stadium untergebracht. Eine sitzt mit ihrer Handpuppe direkt vor der Tür. Eine beobachtet mit stumpfer Miene die Schwester. Zwei sitzen am Tisch, und machen laute Piepsgeräusche. Als die Clowns herein kommen gibt das plötzlich alles Sinn: Irrmine lässt sich genau erklären, wie das mit der Puppe ist, und bietet der Besitzerin dann eine Handklatsche an, mit der sie in den Raum hinein applaudieren kann.

Jolla ist direkt an den Tisch gestürmt. Und fragt die Damen nach dem Befinden. Spätestens als sie auf der Gitarre ein Lied über die schönen Männer anstimmt, hören die Piepsgeräusche plötzlich auf. Alle Konzentration liegt auf Jolla. Irrmine macht es sich für die Darbietung mit einer der Bewohnerinnen unter einem Fischernetz gemütlich, dass sie mitgebracht hat.

Clown ist nicht gleich Clown

"Unsere Arbeit unterscheidet sich stark von den Show-Clowns", sagt Kalus. Sowohl Schminke, als auch Kostüm der Klinik-Gänger ist reduziert. Abgestimmt auf den Sinn der Sache. "Wir wollen keine Show machen, sondern das Herzliche in den Vordergrund stellen." Deshalb gehen die Klinik Clowns auch immer im Duo. "Vier Augen und Herzen kriegen mehr mit", sagt sie. Das erhöht ihre Möglichkeiten, vor allem, wenn die Stimmung mal etwas schleppend ist. Was so leicht klingt, ist tatsächlich mit einem langen Ausbildungsweg verbunden.

"Man braucht eine Vorausbildung in einem künstlerischen Bereich", sagt Kalus. Eine Theater- oder Clownsausbildung etwa. Günstig ist auch eine medizinischer oder pflegerischer Hintergrund. Dann folgen viele Hospitanzen eine eigene Ausbildung zum Klinik Clown, Praktika und später gibt es zusätzlich zur Arbeit noch Supervisionen. "Für die Arbeit braucht man ein sehr gutes Gespür für Menschen und Situationen", erklärt Kalus. Solche Dinge müssen reifen.

Lachen ist menschlich

Studien zu dem Thema gibt es bisher kaum, so dass die Klinik Clowns trotz großer positiver Resonanz noch längst nicht zum Alltag in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen gehören. "Leider sind wir in unserer Arbeit immer noch hauptsächlich auf Spenden angewiesen", sagt Kalus. Der Posten lässt sich im Budget vieler Einrichtungen nur schwer rechtfertigen. "Dabei kann ich das Konzept wirklich nur unterstützen", sagt Jan Hopfe Leiter des sozialen Dienstes im Clara Elisenstift. "Ein Patient hatte sich offensichtlich aufgegeben, er wollte nichts mehr trinken und essen, aber er fragte immer danach, wann denn die Clowns wieder kämen."

Auch Kalus selbst weiss einige ungewöhnliche Geschichten zu erzählen. Manchen Demenzpatienten fielen plötzlich wieder Namen oder Daten ein. Eine andere Dame konnten sich plötzlich wieder an den Walzerschritt erinnern. "Das Vergessen zerstört keineswegs die Persönlichkeit", sagt Klaus. "Es ist nur so, dass sich die meisten Demenzpatienten selbst unzulänglich fühlen, und sich deshalb in sich zurück ziehen. Als Clowns bieten wir hier die nötige Brücke, zurück zu einem lockeren, schamfreien Umgang." Gegen das Lachen hat eben sogar das Vergessen keine Chance.

(ham)
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