Wer haftet bei Schäden? Haftpflichtversicherung bei Demenz

Bochum · Verwirrt, orientierungslos, hilflos - Demenzkranke können schnell einen Schaden anrichten. Doch wer übernimmt in einem solchen Fall den Schaden? Eine Haftpflichtversicherung kann hier helfen. In der Praxis lauern allerdings einige Fallen.

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Demenz ist eine heimtückische Erkrankung: Die Patienten verlieren nach und nach die Kontrolle. Und meist merken sie es am Anfang selbst gar nicht. "Man wird immer vergesslicher, später auch orientierungslos und verliert dann irgendwann auch das technische Verständnis", sagt die Rechtsanwältin Bärbel Schönhof aus Bochum. "Irgendwann weiß man einfach nicht mehr, dass man einen Herd auch abschalten muss." In solchen Situationen können schnell Schäden entstehen. Doch wer zahlt dann?

"Bei gesunden Menschen ist es ganz einfach", sagt Schönhof, die zugleich zweite Vorsitzende der Deutschen Alzheimergesellschaft (DAlzG) in Berlin ist. "Fügt jemand einem anderen einen Schaden zu, springt in der Regel die Haftpflichtversicherung ein." Hat der Versicherte Demenz, ist die Lage schwieriger. "Denn dann übernehmen die Versicherungen den Schaden häufig nicht", hat die Rechtsanwältin beobachtet.

Der Grund: "Niemand muss für einen Schaden haften, wenn seine Schuldfähigkeit eingeschränkt ist", erklärt Bianca Boss vom Bund der Versicherten (BdV) in Henstedt-Ulzburg bei Hamburg. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn jemand wegen einer Demenzerkrankung für einen Moment oder dauerhaft verwirrt war und nicht begriffen hat, was er tat.

In der Fachsprache gilt ein solcher Kunde als nicht deliktfähig. Das Gleiche gilt auch für Kinder. Sind sie jünger als sieben Jahre, haften sie ebenfalls nicht. Die Folge: Die Geschädigten bleiben im Ernstfall auf ihrem Schaden sitzen.

Schleichender Prozess

Für Demenzpatienten gibt es dabei aber ein spezielles Problem. "Das Tückische an der Krankheit ist ja, dass es ein schleichender Prozess ist", sagt Christian Lübke vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin. Betroffene verlieren die Selbstkontrolle nicht auf einen Schlag, sondern allmählich.

Läuft etwa ein Demenzkranker unerwartet auf die Straße und verursacht dadurch einen Unfall, muss geprüft werden, ob er in dem Moment tatsächlich begriff, was er tat. Denn das ist entscheidend für die Frage, ob eine Versicherung zahlen muss oder nicht. "Jeder Einzelfall muss genau angesehen werden", sagt Lübke.

"Doch selbst wenn die Krankheit schon fortgeschritten ist, gibt es immer wieder helle Momente", erklärt Bärbel Schönhof. Wird ein Schaden in solchen hellen Momenten verursacht, müsste die Haftpflichtversicherung eigentlich zahlen. "Allerdings dürfte die Beweisführung schwierig sein", ergänzt Versicherungsexpertin Boss.

Doch egal, ob die Assekuranz einen Schaden reguliert oder nicht - eine Haftpflichtversicherung kann für Demenzpatienten durchaus sinnvoll sein. "Auch wenn sie einen Schaden nicht reguliert, kann sie den unberechtigten Anspruch des Geschädigten abwehren", sagt GDV-Sprecher Lübke. Die Police biete dem Kunden hier passiven Rechtsschutz.

Wer die Diagnose Demenz von seinem Arzt bekommt, muss seinen Haftpflichtversicherer laut GDV darüber nicht informieren. "Denn anders als etwa ein Baugerüst vor dem Haus, das die Einbruchgefahr erhöht, stelle eine Demenzerkrankung nicht grundsätzlich eine Gefahrenerhöhung dar", erklärt GDV-Sprecher Christian Lübke. Auch dürfe das Versicherungsunternehmen die Police wegen der Erkrankung nicht kündigen.

Dennoch sollten sie mit ihrem Versicherer sprechen, findet Bärbel Schönhof von der DAlzG. Denn wisse das Unternehmen Bescheid, könnten spätere Probleme vermieden werden. Es gibt zudem die Möglichkeit, Sondertarife mit einem erweiterten Versicherungsschutz zu vereinbaren. "Bei diesen Tarifen übernimmt die Versicherung die Schäden auch, wenn der Verursacher deliktunfähig ist", erklärt die Rechtsanwältin. Allerdings könne dieser zusätzliche Schutz für die Kunden mit Mehrkosten verbunden sein. "Die Beiträge sind in der Regel höher."

(dpa)
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