Holodecks und Coworking-Center In diesem Büro arbeiten Sie in der Zukunft

Stuttgart/München · Unzählige Angestellte arbeiten in einem Großraumbüro. Das ist nicht nur lustig. Experten erzählen hier, welche Nachteile das auf die Produktivität und sogar die Gesundheit haben kann und wie wir in 15 Jahren arbeiten werden.

Verrückte Büros und Zukunftstrends
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Foto: Christian Rudnik/Google Inc.

Flexible Arbeit, Vernetzung und bessere Kommunikation — nach ersten Großraumlandschaften in den 70er Jahren hat das Silicon Valley vorgemacht, welche Vorteile das moderne Großraumbüro hat.

Planer sahen darin die Chance auf flachere Hierarchien, einen intensiveren Austausch unter den Mitarbeitern und unterschiedlichen Arbeitseinheiten sowie platzsparende und damit auch kostensparende Lösungen. Seit rund 20 Jahren beobachten und analysieren Forscher vom Fraunhofer Institut für Arbeits- und Organisationsforschung solche Entwicklungen und gestalten sie planerisch mit.

Faszination für "open spaces" klingt ab

Martin Braun ist einer dieser Arbeitsforscher. Als Projektleiter des Bereichs Human Factors Engineering verfolgt er am Fraunhofer Institut seit vielen Jahren mit, was die Arbeitswelt umtreibt, entwickelt Konzepte, probiert aus und verwirft wieder. "Vor Jahren wurden eher euphorisch "open spaces" beworben", sagt er. Damit meint er Großraumbüros. Die Akzeptanz und Faszination aber klinge ab.

Denn mit diesen Entwicklungen kamen auch Probleme, die man vorher nicht kannte: Großraumbüros mit Hintergrundgeräuschen, weil alle miteinander reden, klappernde Tastaturen, laute Telefonate, Druckergeräusche, klingelnde Smartphones, vorbei eilende Kollegen. "Das wird von vielen nicht nur als störend, sondern sogar belastend empfunden. Von manchen so sehr, dass sie nicht mehr zum Arbeiten kommen", so Braun.

Warum Großraumbüros die Effizienz nicht steigern

"Lange Zeit galten Großraumbüros als effizienz- und kommunikationssteigernd. Das Gegenteil aber ist der Fall. Die Arbeitseffizienz hat sich nach eigener Einschätzung der Mitarbeiter nicht verbessert. Eher gibt es die Tendenz zur Verschlechterung. Störfaktoren wie Lärm und Ablenkung sind ein Grund dafür", sagt Wirtschaftsingenieurin und Architektin Silke Stadler. 70 Prozent der Beschäftigten finden, dass ihre Arbeitseffizienz darunter leidet. Rund die Hälfte der Befragten gibt in der Studie der Hans-Böckler-Stiftung an, der Stresspegel habe im Großraum zugenommen.

Welche Gesundheitsprobleme Großraumbüros verursachen können

Studien belegen, dass das gravierende Folgen haben kann: Es beeinflusst nicht nur das persönliche Wohlbefinden, Konzentration und Leistungsfähigkeit, sondern fördert sogar gesundheitliche Beschwerden.

So fanden Forscher des National Institute of Occupational Health in Kopenhagen heraus, dass Beschäftigte in Großraumbüros im Vergleich zu solchen in Einzelbüros häufiger über Kopfschmerzen, Konzentrationsprobleme und Müdigkeit klagten. Andere "Untersuchungen wiesen vermehrt Verspannungen nach.

Eine schwedische Studie belegte eine steigende Erkältungshäufigkeit in Großraumbüros", sagt Silke Stadler. Sie führte 2007 eine Untersuchung für die Hans-Böckler-Stiftung durch, die die Auswirkung von neuen Bürokonzepten auf die Beschäftigten untersuchte.

Warum "desk-sharing" nicht funktioniert

"Work where you want", das war lange Zeit der Slogan, unter dem Großraumbüros konzeptionell entworfen wurden. "Das Fraunhofer Institut hat das selber seinerzeit so propagiert. Wir gingen davon aus, das es eigentlich ganz egal ist, wo man arbeitet", erzählt der Forscher, der seit 20 Jahren Projekte rund um Veränderungen der Arbeitswelt begleitet. Auch wenn Flexibilität im Arbeitsleben wichtiger denn je ist, zeigte sich jedoch in der Realität schnell, dass das zum Beispiel Konzept des desk-sharings im wirklichen Leben doch nicht ganz aufgeht.

Die Grundidee: Täglich sind Mitarbeiter krank, andere in Urlaub und wieder andere auf Kundenbesuch. Im Büro bleiben viele Schreibtische leer und ungenutzt. Den teuren Büroraum, der Tag um Tag brach liegt, muss das Unternehmen jedoch trotzdem zahlen. So kam man auf die Idee, Arbeitsplätze flexibel zu nutzen und nicht mehr jedem Mitarbeiter einen festen Platz zuzuweisen. Unterstützt durch moderne Technologien sollten Büroflächen sollten optimal genutzt und — um Kosten zu sparen — verkleinert werden.

Doch der tägliche Arbeitsplatzwechsel, brachte ganz praktische Problem mit sich: "Man findet seine Kollegen nicht so ohne weiteres wieder", sagt Braun und hält auch mit anderen Gründen nicht hinterm Berg, die das Modell hier und da zum Scheitern verurteilten: "Da sind wir doch irgendwie Höhlenmenschen geblieben. Wir brauchen den sozialen Bezug und sitzen darum meist im gleichen Bereich."

Ein weiterer Schwachpunkt: In arbeitsintensiven Zeiten reicht der Platz nicht aus — es beginnt ein Buhlen um einen der knappen Arbeitsplätze. Das kann den sozialen Frieden empfindlich stören.

Warum doch alle am selben Platz sitzen

Wie problematisch desk-sharing sein kann, belegen auch verschiedene Untersuchungen, auf die sich Silke Stadler bezieht. "Die Menschen wollen feste Arbeitsplätze, die sie individualisieren können, indem sie zum Beispiel ein Bild von der Tochter aufstellen können. Sie haben, wenn sie keinen festen Arbeitsplatz haben Sorge, neben wem sie sitzen werden. Das wird als unangenehm empfunden. Darum pendelt es sich oft ein, dass Plätze fix besetzt sind.", sagt Stadler. Aus diesem Grund plädieren Experten aus verschiedenen Bereichen der Arbeitsorganisation und -psychologie für Veränderungen mit Augenmaß.

Clean-Desk-Policy funktioniert nicht überall

Jeden Abend den Laptop einzupacken und leergefegte Schreibtische zu präsentieren, indem man eine "Clean-Desk-Policy" ausruft, sei nicht allerorts möglich, meint Stadler. "Nicht in allen Bereichen funktioniert ein papierloses Büro, das ich jeden Tag neu aufbaue", sagt die Wirtschaftsingenieurin.

Dennoch ist der Trend zu riesigen Office-Landschaften mit vielen Schreibtischinseln auch heute ungebrochen, sagt Martin Braun. Doch haben sich entscheidende Dinge verändert. Sie halten verschiedene Arbeitsbereiche für verschiedene Tätigkeiten vor. So zum Beispiel Einzelzellen für hochproduktive Arbeitsphasen oder abgeschirmte und lärmgeschützte Arbeitsplätze im Großraum.

Das wird bleiben und das wird kommen:

Aus den Zukunftsmodellen der Vergangenheit weiß man, dass ich bei aller Bemühung nach dem optimalen Arbeitsplatz und angepassten Arbeitseinheiten neue Herausforderungen die Kreativität der Vorausdenker auf die Probe stellen wird.

Denn "wir wissen, dass der Mensch unzufrieden wird, wenn er von Technik determiniert wird", so der Projektleiter aus dem Fraunhofer Institut. Zuletzt benennt Stadler jedoch ein Problem, das nie zu lösen sein wird: "Arbeitspsychologische Untersuchungen zeigen, dass es immer rund zehn Prozent unter den Mitarbeitern gibt, die nicht zufrieden sind."

Die goldene Lösung fällt also durch.

(wat)
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