Gesundheit Nach dem Unterricht ist noch nicht Schluss

Lehrkräfte haben einen vielseitigen und herausfordernden Beruf. Die täglichen Belastungen können jedoch gesundheitliche Folgen haben. Was für Stress sorgt und was man dagegen tun kann, erläutern zwei Expertinnen.

Zwischen den Unterrichtsstunden bleibt kaum Zeit zur Pause, und auch zu Hause müssen Lehrer oft noch Arbeit erledigen, wie Klausuren korrigieren und den nächsten Tag vorbereiten. Das kann auf die Gesundheit schlagen.

Zwischen den Unterrichtsstunden bleibt kaum Zeit zur Pause, und auch zu Hause müssen Lehrer oft noch Arbeit erledigen, wie Klausuren korrigieren und den nächsten Tag vorbereiten. Das kann auf die Gesundheit schlagen.

Foto: Getty Images/iStockphoto/Wavebreakmedia

Wer einen Lehrberuf ergreift, hat sich für einen abwechslungsreichen Job entschieden. Die Anforderungen sind jedoch anspruchsvoll, und in den letzten Jahren sorgten Homeschooling und hybrider Unterricht für zusätzliche Herausforderungen. Mehr Zeitressourcen für die Bewältigung der Aufgaben hat es jedoch nicht gegeben. Das kann gesundheitliche Folgen haben.

„Eine berufsbedingte Erschöpfungssymptomatik ist unter Lehrkräften keine Seltenheit“, sagt Professorin Bärbel Wesselborg von der Fliedner Fachhochschule in Düsseldorf. „Exakte Zahlen existieren nicht, da in Studien zur Gesundheitssituation von Lehrenden unterschiedliche Erhebungsinstrumente verwendet werden. Untersuchungen legen jedoch nahe, dass zehn bis 30 Prozent der Lehrkräfte unter Erschöpfungssymptomen leiden.“

Während der Corona-Pandemie hat sich das Problem verschärft, dazu kommt der bestehende Fachkräftemangel. Experten gehen von bundesweit bis zu 40.000 unbesetzten Stellen aus. „Mehrarbeit und Unterrichtskürzungen sind die Konsequenz“, erklärt Wibke Poth, stellvertretende Landesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung NRW (VBE) „Das kann kaum aufgefangen werden und sorgt dementsprechend für eine noch stärkere Belastung.“ An fast der Hälfte der Schulen hat laut VBE-Umfragen die Zahl der Pädagogen, die langfristig erkranken, zugenommen.

Die Arbeitstage von Lehrkräften sind in der Regel eng getaktet. Ihre Kernaufgabe liegt in der Gestaltung des Unterrichts. „Dies bringt hohe Anforderungen mit sich, denn Lehrkräfte stehen im Unterricht in ständiger Interaktion“, erklärt Wesselborg. „Dabei müssen sie gleichzeitig mit den unterschiedlichen Bedürfnissen in der Klasse umgehen und darauf achten, alle Schülerinnen und Schüler mitzunehmen.“ Denn erfolgreicher Unterricht setzt die Mitarbeit und damit die Kooperation der Klasse voraus. „Wenn die notwendige Kooperation im Unterricht nicht gelingt und Schülerinnen und Schülern den Unterricht stören, so ist dies ein hoher Stressfaktor für Lehrkräfte“, sagt die Hochschulprofessorin.

Eine Planungssicherheit ist wegen unvorhersehbarer Ereignisse im Unterricht sowieso nicht gegeben. Anders als für die Jugendlichen gibt es für Lehrkräfte an einem normalen Unterrichtstag jedoch kaum Pausen. „Immer gibt es etwas zu besprechen, zu telefonieren oder vorzubereiten“, betont Wibke Poth. In kurzen Pausen steigt die Belastung eher noch an, da Räume gewechselt oder Fragen geklärt werden. „Selbst, wenn die Zeit da wäre, gibt es in den seltensten Fällen einen Raum, in dem man als Lehrkraft zur Ruhe kommen kann.“ Platz ist an Schulen vielfach Mangelware und ein freier Raum wird eher zum Elternbesprechungszimmer als zur Ruhezone. Die vermeintlichen Pausen zeigen daher kaum Auswirkung.

Nach dem Unterricht ist der Arbeitstag nicht beendet. Im Anschluss an Besprechungen und Konferenzen am Nachmittag ziehen sich Korrekturen und Unterrichtsvorbereitungen oft bis in den Abend. Diese Arbeiten finden vielfach zu Hause statt. „Rückmeldungen aus den Kollegien zeigen uns, dass es vielen immer schwerer fällt, abends abzuschalten“, erzählt Poth. „In der Coronazeit kam dazu, dass man quasi ununterbrochen ‚auf Empfang‘ war, um Informationen zu Neuinfektionen oder neue Regelungen zu verarbeiten.“

Ein gutes Zeitmanagement und hohe Selbstorganisationsfähigkeiten sind für eine gesunde Work-Life-Balance daher absolut notwendig. „Um einen Feierabend zu ermöglichen, müssen die Arbeitszeiten und die Erreichbarkeit im häuslichen Arbeitszimmer festgelegt werden und die Zeiten kommuniziert werden“, rät Bärbel Wesselborg. „Nach Feierabend sollten die Arbeitsmaterialien konsequent weggeräumt oder das Arbeitszimmer geschlossen werden, auch der dienstliche Mail-Account sollte nicht mehr geöffnet werden.“ Für Ausgleich sorgen hingegen Hobbys und das Pflegen von sozialen Kontakten.

Der Lehrerberuf bringt aber auch viele positive Aspekte mit sich. „Es sind die vielen persönlichen Kontakte zu den Schülerinnen und Schülern, die den Beruf ausmachen“, betont Wibke Poth. „Im Idealfall begleitet man die Kinder und Jugendlichen mehrere Jahre und sieht, wie sie sich entwickeln und mit den Herausforderungen wachsen. Gelingt diese Beziehungsarbeit, gibt es keinen schöneren Beruf.“

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Positive Rückmeldungen der Schüler sowie eine gelungene Interaktion mit der Klasse können erfüllend wirken und sind eine wichtige gesundheitliche Ressource für Lehrkräfte. Damit sie jedoch auch in Zeiten des Fachkräftemangels ausreichend Zeit für ihre Schüler aufbringen können, fordert der VBE ein Maßnahmenpaket für die Gesunderhaltung von Pädagogen. Dazu zählen unter anderem kleinere Klassen, mehr Anrechnungsstunden, multiprofessionelle Teams und Ruheräume sowie der Einsatz weiterer, nicht pädagogischer Fachkräfte.

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