Bewerbungsunterlagen Persönliche Referenzen gewinnen an Bedeutung

Arbeitszeugnisse gehören nach wie vor zu den wichtigsten Bestandteilen einer Bewerbung. Sie sind aber nirgends so relevant wie in Deutschland. Sind sie vielleicht langsam aus der Zeit gefallen?

Wie neutral können Bewertungen im Arbeitszeugnis sein? Für manche gelten die Referenzen im Bewerbungsprozess als längst überholt.

Wie neutral können Bewertungen im Arbeitszeugnis sein? Für manche gelten die Referenzen im Bewerbungsprozess als längst überholt.

Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa-tmn/Klaus-Dietmar Gabbert

Tausende Bewerbungsmappen hat Niels Schwanke schon gesehen. Den Zweck von Arbeitszeugnissen darin stellt der Geschäftsführer der Gebrüder Schwanke Personalberatung aber häufig infrage. Auch wenn die meisten seiner Kunden Wert darauf legen würden.

Auf der Suche nach geeigneten Kandidaten für seine Auftraggeber fällt ihm regelmäßig auf, wie wenig er auf die Bewertung im Zeugnis vertrauen kann. Der Personalberater stellt etwa fest, dass manche Firmen generell nur gute Noten vergeben, andere hingegen „völlig unbegründet nur schlechte“. Oder der Arbeitgeber kennt die Geheimcodes der Zeugnissprache nicht und stellt deshalb unbeabsichtigt eine schlechte Beurteilung aus – wenn er sie überhaupt schreibt. Zur Realität gehört, dass die Beurteilten ihr Zeugnis mitunter selbst formulieren. Das alles spricht aus Sicht von Niels Schwanke gegen die „Neutralität des Arbeitszeugnisses als wertbares Indiz“.

Der Wirtschaftspsychologe Professor Uwe Kanning von der Hochschule Osnabrück macht auf eine weitere Schwäche aufmerksam: Er glaubt zwar, dass es Arbeitszeugnisse als Beleg dafür braucht, „dass jemand überhaupt schon einmal irgendwo gearbeitet hat.“ Ein Problem sieht er aber darin, dass Personaler zu viel hineininterpretieren. „Die Leistungsbeurteilungssysteme sind oft so abstrakt, dass sie viel Platz für das Bauchgefühl lassen.“

Geht es um Leistungsbewertungen, sind im internationalen Vergleich eher Empfehlungsschreiben als Arbeitszeugnisse gefragt. Noch populärer ist die Methode der freiwilligen Referenzen. Das heißt, der potenzielle Arbeitgeber darf ausgewählten Personen Fragen zum Bewerber stellen.

Eine Vorgehensweise, die Magdalena Oehl vorzieht. Für die Vorständin des Start-up-Verbands sind Arbeitszeugnisse „aus der Zeit gefallen“ – mit Blick auf den bestehenden Fachkräftemangel umso mehr. Viel lieber greife sie bei Einstellungsprozessen zum Telefonhörer und spreche mit den Referenzgebern. „Ein Gespräch mit Vertrauenspersonen erlaubt durch die Zwischentöne ein besseres Urteil darüber, ob es inhaltlich und zwischenmenschlich passt“, sagt sie.

Es gibt aber auch eine rechtliche Ebene. Einerseits ist der Anspruch auf ein Arbeitszeugnis gesetzlich festgelegt. Daneben kann das Arbeitszeugnis sinnvoll sein, wenn es um Chancengleichheit geht, sagt Andreas Schmalz vom DBB Beamtenbund und Tarifunion. Denn die Wahl eines Kandidaten sollte immer möglichst transparent und nachvollziehbar sein. Mit lückenlosen Zeugnissen könne der Arbeitgeber nachweisen, warum er sich für die eingestellte Person und gegen eine andere entschieden habe, so Schmalz.

Wo Unternehmen weiter Arbeitszeugnisse verlangen, sollten diese auch eingereicht werden. Personalberater Niels Schwanke empfiehlt, vor allem die aktuellsten vorzulegen, selbst die weniger guten. „Ich finde, es ist kein Weltuntergang, wenn jemand fünf Arbeitszeugnisse einreicht und davon ist eines schlecht. Dann gibt es meistens Gründe innerhalb des Unternehmens, wie es dazu gekommen ist“, sagt er. Das könne man offen besprechen.

Wie alle anderen Methoden trägt das Arbeitszeugnis dazu bei, sich ein Gesamtbild vom Kandidaten zu verschaffen. Schwanke nimmt an, dass sich künftig auch in Deutschland Referenzanrufe verstärkt etablieren. Das Zeugnis werden sie dennoch nicht komplett ersetzen. In einer Gesellschaft, in der das gesetzlich verankert sei, ginge das gar nicht anders.

(dpa/tmn)
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