Köln Skandalautorin Helene Hegemann bringt ihre erste Oper in Köln heraus

Köln · Selten wird in einer Oper so viel geredet wie in der Kölner Produktion "Musik" nach Frank Wedekinds etwas angejahrtem Sittengemälde aus dem Jahr 1908.

Köln: Skandalautorin Helene Hegemann bringt ihre erste Oper in Köln heraus
Foto: Julia Winkler

Es mag daran liegen, dass man die eloquente, durch ihren 2010 veröffentlichten Debüt-Roman "Axolotl Roadkill" und den damit einhergegangenen Plagiatsvorwürfen zu Berühmtheit gelangte Skandalautorin Helene Hegemann als Librettistin für das Stück ausgewählt hatte, die den originalen Text fast komplett ersetzt und ihm den klangvollen Untertitel "I make hits, motherfucker" gibt.

Im Kölner Palladium feuert man aus allen Rohren: Sprache, Musik, Tanz, Kino. Nicht weniger als ein Gesamtkunstwerk soll es sein. In Wirklichkeit aber erlebt man eine multimediale Reizüberflutung, die jegliche Fallhöhe des Stoffes einebnet. Die Bühne ist dunkel, Lichtprojektionen bilden im Hintergrund ein Triptychon. Immer wieder dient ein transparenter Vorhang als Kinoleinwand für Zwischenspiele, die ebenso Popkultur zitieren wie die Musik und die Sprache. Hegemann, die in "Musik" auch erstmals als Opernregisseurin arbeitet, bekennt sich zu ihrer Sozialisierung mit Popmusik und will ihre Idealvorstellung vom Musiktheater entwickeln. Doch nichts wirkt in dieser Inszenierung zwingend. Schon gar nicht die Entscheidung für Wedekinds Text. Darin wird die junge angehende Wagner-Heroine Klara von ihrem Gesangslehrer Josef, der ihr eine Traumkarriere verspricht, gleich zwei Mal geschwängert; nach dem ersten Mal drängt er sie zur Abtreibung. Sie wird deshalb verhaftet, verbüßt im Gefängnis ihre Strafe; nach der Entlassung kehrt sie zu Josef und seiner Frau Else zurück, wird erneut schwanger, will nun aber nicht mehr abtreiben.

Natürlich ist die Musik das die Handlung vorantreibende Motiv, sie dient als Vehikel für die Erfüllung des Traums von Glück, Glanz und Ruhm, aber am Ende ist sie doch nur Quelle allen Übels. Komponist Michael Langemann erweist sich als Routinier, der den großen Orchesterapparat mit avantgardistischen Geräuschflächen ebenso füttert wie mit Minimal Music oder Zitaten aus der Pop- und Filmkultur. Das Gürzenich-Orchester leistet präzise Arbeit. Die Hauptrollen verlangen ihren Darstellern viel ab, zumal sie nicht nur singen, sondern auch eine Menge Sprech—text zu bewältigen haben. Nur Else darf nicht singen. Sie wird von der Schauspielerin Judith Rosmair brillant als Societygirl gegeben. Dass man der Dancefloor-Szene in dem mit eindreiviertel Stunden zu langem Stück eine Nische im Stück freigeräumt hat, wirkt unmotiviert und überflüssig. Am Schluss hielten sich Bravos und Buhs die Waage.

Weitere Vorstellungen am 11., 14., 19. und 22. Dezember

(RP)
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