Neues Album Pet Shop Boys — knietief im Kitsch

Düsseldorf (RP). Das am Freitag erscheinende neue Album des Londoner Duos klingt frisch und prickelnd wie in den besten Zeiten von Neil Tennant und Chris Lowe. Mitten in der Krise bietet "Yes" federleichte Songs mit himmelstürmenden Melodien, billigen Beats und dieser wunderbar alterslosen Stimme.

Der "King of Pop" ist zurück
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Diese Platte ist dann doch sehr verblüffend. Mit den Pet Shop Boys, den Stilisten des kapitalistischen Liedguts, hätte man gerade jetzt nicht unbedingt gerechnet. Und mit so einer Platte noch wenigert. Während alle Welt schwarzmalt und unter der Krise ächzt, kommen Neil Tennant und Chris Lowe kanarienfederleicht um die Ecke. Ihr morgen erscheinendes zehntes Studioalbum heißt "Yes", und es fühlt sich an, als öffne man während der sommerlichen Fahrt zum Baggersee das Schiebedach des Autos: frisch und prickelnd, grundwarm und gut. Das ist bewegende Musik, weil sie einen nicht in Denkerpose zurücklässt wie die aktuelle CD von U2 oder in tiefe Depression stürzt wie das kommende neue Werk von Depeche Mode. "Yes" ist prächtigster Schmunzelkitsch. Musik, die einen selig seufzen lässt. "Yes" ist Pop, in Großbuchstaben, mit Ausrufezeichen dazwischen.

Überhaupt: die Pet Shop Boys und Pop. Seit es 1985 mit "West end Girls" seinen ersten Hit hatte, arbeitet das Duo an der Definition des Begriffs. Es gelten die Gesetze Andy Warhols: das Gewöhnliche verklären, die Schönheit trivialisieren, den Unterschied zwischen Objekt und Umgebung aufheben. Pop ist eine Kunstform, die nahe am Zeitgeist surft und mit einem Pinselstrich, einer Melodie oder einem Vers das Gefühl von Gegenwart auszudrücken vermag. Wichtig ist, dass dabei die Oberfläche glänzt, dass man unmittelbar überwältigt wird von Bild, Text oder Song. Unter diesen Gesichtspunkten ist das Album der Pet Shop Boys perfekt.

Es vertont die Obama-Euphorie, pustet sie den ermüdenden Menschen in himmelstürmende Melodien verpackt um die Ohren. "Ich glaube fest, wir können es schaffen", singt der 54-jährige ehemalige Journalist Tennant, hebt die Augenbrauen sehr distinguiert und steht dabei knietief in der bunten Synthesizer-Suppe, die sein ebenfalls sehr onkelhaft auftretender Kompagnon, der frühere Architektur-Student Lowe (49), auskippt. Im Gegensatz zu den mit Markennamen gespickten Texten der 80er Jahre, wo sich jede Zeile irgendwie auf Hedonismus reimte, lautet die hippieske Botschaft nun: "Du brauchst mehr als einen Gerhard Richter an der Wand. Du brauchst Liebe."

Zuletzt wirkte das Duo ein wenig ratlos. Die Alben "Nightlife" (1999), "Release" (2002) und "Fundamental" (2006) klangen eigenartig zerstreut. Die Pet Shop Boys wagten sich allzu tief vor in Leder-Disco bzw. Gitarrenpop bzw. Minimal-Techno. Jetzt besinnen sie sich wieder auf ihre Kernkompetenz: Zuckerbäcker-Pop mit pumpenden Billig-Beats und dem Versprechen auf wenn nicht ewige, dann doch bis zum Morgen dauernde Jugend. Die neuen Pet Shop Boys klingen nach den alten aus der "Behaviour"-Phase um 1990. Und vielleicht zum ersten Mal gelingt der Band, deren Meisterwerke weniger die Alben als vielmehr die Sammlungen mit Single-Hits waren, eine Platte, die rund ist, pointiert und mit langem Atem als Ganzes komponiert.

Die Pet Shop Boys waren immer eher Versace als Jil Sander, opulent statt puristisch. Und in Songs wie "Love etc." und "Beautiful People" legen sich wieder Streicher, Vogelzwitschern, Chöre, Broadway-Bombast und Effekte wollüstig aufeinander. Wenn vor dem mit altersloser Stimme und einiger Noblesse gesungenen Refrain ein zur Erhöhung der Spannung eingestreutes Geräusch an ein startendes Ufo denken lässt, hört man danach garantiert die Landung. "Yes" ist übervoll wie eine Tüte Fruchteis mit Sahne, Zuckerstreuseln und roter Sauce. Und für die ausgehungerte Hörerschaft ebenso verführerisch.

Hilfe hat sich das Duo vom ehemaligen Gitarristen der Band The Smiths geholt: Johnny Marr steuert einige feine Riffs bei. Noch größer ist der Einfluss des Produzententeams Xenomania. Das ist eine Hitfabrik, die in den vergangenen Jahren Starlets wie Danii Minogue, Sugababes und Girls Aloud in die britischen Charts gebracht hat. Unter der Leitung von deren Chef Brian Higgins entwarf man für einige Songs mehrere Fassungen und puzzelte im Studio die besten Teile aus den Skizzen zu potentiellen Hits zusammen. Das Ergebnis ist ein Album, auf dem es keinen Ausfall zu beklagen gibt, eine Platte, die der ökonomischen Herausforderung im Zeitalter von iTunes gerecht wird, wo an jedem Song ein Preisschild mit der Aufschrift "99 Cent" baumelt: Hier wird sich alles gleich gut verkaufen. Elf Songs, elf Hits.

So ist "Yes" das, was man derzeit oft vermisst: eine gute Nachricht.

(RP)
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