Das "Weiße Rößl" zu Technobeats

Das Kino entdeckt die Operette neu: viel Schwung, wenig guter Geschmack

Und plötzlich wird gesungen. Das ist ja das Seltsame an der Operette, dass darin gesprochen und geträllert wird. Damit der Bruch zwischen beidem nicht allzu künstlich erscheint, müssen Operetten-Darsteller so gut spielen, dass es natürlich erscheint, wenn sie vor Kummer oder Glück in Gesang verfallen. Und sie müssen so gut singen, dass das dann auch Spaß macht.

Jetzt entdeckt ausgerechnet das Kino diese Gattung neu und kittet den Bruch zwischen Sprache und Gesang auf offensive Art: Es macht sie zum Thema. Der deutsche Regisseur Christian Theede wagt sich ans "Weiße Rößl", peitscht die vielen Evergreens aus diesem Operettenklassiker mit stampfenden Technobeats ins 21. Jahrhundert und erfindet eine moderne Hauptfigur, die nicht singen kann, nicht singen will, aber in eine seltsame Heilewelt gerät, in der die Menschen ihre Gefühle noch durch Musik ausdrücken: ins Salzkammergut.

Diana Amft spielt die moderne Gesangsskeptikerin, die in diesem Film als Vermittlerin zwischen der Moderne und der Welt des Heimatfilms fungiert. Ottilie lebt in Berlin, wird gerade von einem seelenlosen Typen verlassen und reist widerwillig mit dem Vater nach Österreich, um Liebeskummer und Bürostress zu entkommen. Doch die Reise führt sie weiter weg als gedacht – in eine Märchenwelt nämlich, in der hochmütige Rößl-Wirtinnen genauso singen, wie deren Oberkellner, und fesche junge Männer am Straßenrand sich sofort Hals über Kopf in frustrierte Hauptstädterinnen verlieben. Natürlich jubilieren sie abends unter deren Balkon.

Theede gelingt es, mit diesem modernen Überbau, einen alten Heimatstoff in die Gegenwart zu transponieren. Allerdings wundert sich seine Hauptdarstellerin derart oft darüber, dass um sie her gesungen wird, dass der Zuschauer sich irgendwann auch fragt, warum das sein muss. Aber die Lieder aus dem Rößl sind nun mal so schön und fast unverwüstlich. Sie überleben sogar die penetrante Verpoppung, die Theede ihnen angedeihen lässt, auf dass sein Film auch jenen Partygängern gefalle, die gern zu Skihütten-Schlagern tanzen.

Den Darstellern merkt man die Freude am ungewohnten Genre an. Theede wagt einigen Kulissenpomp und Choreografien auf der Kuhwiese. Das hat alles nicht das Format eines Baz Luhrmann, aber viel Schwung. Wer allerdings das echte "Weiße Rößl" liebt, sollte es lieber in guter Erinnerung bewahren. lll

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort