Buch-Tipp Morton Rhue: Asphalt Tribe

Sie sind auf der Suche nach Freiheit und leben deshalb auf den Straßen von New York. Anfangs ist alles sehr aufregend, doch schon bald müssen sich die acht Jugendlichen sich mit der Realität auseindersetzen: Hunger, Kriminalität, Drogenabhängigkeit und Prostitution werden zum Alltag. Und den beschreibt Morton Rhue in seinem Roman "Asphalt Tribe" in aller Deutlichkeit.

<P>Sie sind auf der Suche nach Freiheit und leben deshalb auf den Straßen von New York. Anfangs ist alles sehr aufregend, doch schon bald müssen sich die acht Jugendlichen sich mit der Realität auseindersetzen: Hunger, Kriminalität, Drogenabhängigkeit und Prostitution werden zum Alltag. Und den beschreibt Morton Rhue in seinem Roman "Asphalt Tribe" in aller Deutlichkeit.

"Von zu Hause abzuhauen und auf der Straße zu leben hat für viele Teenager etwas Aufregendes, etwas Faszinierendes an sich", sagt der amerikanische Autor. "Ich wollte sie wissen lassen, dass das alles andere als ein Spaß ist."

Für sein neues Buch recherchierte der Schriftsteller in New York und in Denver. Die Arbeit war schwierig: Die Kinder und Jugendlichen wollten sich ihm nicht so einfach öffnen. "Kommunikation ist für sie Transaktion - sie wollen für das, was sie geben, auch etwas haben", sagt Rhue. So habe er ihnen als Gegenleistung für ihre Informationen zum Beispiel Essen oder Kleidung beschafft.

Auf die Idee, über obdachlose Kinder in Industriestaaten zu schreiben, kam der Jugendbuchautor eher zufällig. Er sei auf einer Tagung in Denver gewesen, erzählt er. Eine der Organisatorinnen der Veranstaltung habe ihn zum Flughafen gebracht und auf dem Weg dorthin in einem Heim für Straßenkinder angehalten, um dort eine Lebensmittelspende abzugeben. Völlig verdreckte Jugendliche hätten dort im Aufenthaltsraum vor dem Fernseher gesessen, obwohl es in dem Heim sowohl Waschmaschinen als auch Duschräume gebe. Die Frage, warum die Jugendlichen dieses Angebot nicht nutzten, sei der Beginn seiner Recherche gewesen.

Wie auch in seinem Buch beschrieben, traf Rhue auf der Straße Jugendliche ganz unterschiedlichen Typs. Viele seien völlig hoffnungslos und interessierten sich für nichts mehr, berichtet er. Andere - vor allem die, die noch nicht lange auf der Straße lebten - glaubten dagegen sogar, sie würden entdeckt und ein Star werden wie Madonna oder Elton John. Einige hätten ihr Zuhause nicht freiwillig verlassen, die Eltern hätten sie rausgeworfen.

In "Asphalt Tribe" erzählt das Mädchen Maybe von den Erlebnissen der Gruppe, die auf der Straße zu überleben versucht. Am Schluss sind drei tot und zwei im Krankenhaus. Was aus Maybe werden wird, bleibt offen, aber es gibt Hoffnung: Sie will in ein Jugendwohnheim ziehen.

Davon gibt es nach Ansicht Rhues in den USA zu wenige. Man kümmere sich dort zwar um obdachlose Kinder, bemühe sich aber nicht darum, sie wieder in die Gesellschaft zu integrieren, sagt er. In Deutschland engagiert sich dafür die Organisation Off-Road-Kids. Mit Zustimmung der Jugendlichen stellt sie wieder Kontakt zu den Eltern vor. Wenn eine Rückkehr ins Elternhaus nicht möglich ist, versucht sie, die Betroffenen in einer Jugendwohngruppe unterzubringen. Nach Schätzung von Off-Road-Kids gibt es in Deutschland etwa 2.500 Kinder, die auf der Straße leben.

Physischer oder sexueller Missbrauch ist häufig der Grund dafür, dass Kinder von zu Hause abhauen. Oft sei es auch so, dass Eltern ihre Kinder nicht so akzeptieren könnten, wie sie seien, sagt Rhue. "Ein Kind, das zu Hause akzeptiert wird, läuft nicht weg", erklärt der 53-Jährige, der selbst zweifacher Vater ist.

"Die Welle" wurde Schulllektüre

Der Autor, der mit den Büchern "Die Welle" und "Ich knall euch ab" bekannt geworden ist, hat mehrere so genannte realistische Jugendromane geschrieben. Immer wieder, so sagt er, beschäftige ihn das Problem von Außenseitern - diejenigen, die aus einer Gruppe ausgeschlossen sind. In "Die Welle" geht es um ein Rollenspiel an einem College über bedingungslosen Gehorsam. Das Buch gehört in Deutschland zur Schullektüre und wurde mehr als drei Millionen mal verkauft. In "Ich knall euch ab" beschreibt Rhue das Massaker zweier Jugendlicher an einer Schule - traurige Aktualität auch in der Bundesrepublik nach dem Amoklauf in Erfurt im Frühjahr 2002.

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