Ausstellung Die Deutschen bleiben Pfennigfuchser

Berlin · Das Deutsche Historische Museum in Berlin versucht, die deutsche Sparwut zu erklären.

 Werbeplakat der Sparkasse von 1952.

Werbeplakat der Sparkasse von 1952.

Foto: Deutsches Historisches Museum

Seit die Europäische Zentralbank die Kapital-Schleusen geöffnet und die von der Finanzkrise gebeutelten Länder mit Milliarden-Krediten vor dem Ruin gerettet hat, sind für deutsche Sparer schlechte Zeiten angebrochen: Denn die Null-Zinspolitik bewirkt, dass das auf den Sparbücher geparkte Geld nicht mehr automatisch mehr, sondern weniger Wert ist.

Trotzdem, und das wirft einen tiefen Blick auf die seltsame Psyche der hierzulande von „German Angst“ geprägten Menschen, hören die Deutschen einfach nicht auf zu sparen. Selbst in der Finanzkrise haben sie eine Sparquote von fast zehn Prozent ihrer verfügbaren Einkommen. Obwohl die Chinesen noch mehr Geld zur Seite legen, haben die Deutschen das Sparen quasi zur Ersatz-Religion erklärt, blicken arrogant auf andere Nationen (die Griechen können ein Lied davon singen!), die nichts von der schwarzen Null halten.

Das Sparen hat uns zu Pfennigfuchsern gemacht. Doch woher kommt diese Sparwut, welche Folgen hat sie für uns und andere? Diese und ähnliche Fragen versucht eine Ausstellung im Berliner Historischen Museum (DHM) mit hunderten von Exponaten zu umkreisen: „Sparen – Geschichte einer deutschen Tugend“. Das hat einen durchaus ironischen Unterton: Denn was die Deutschen als positive Eigenschaft empfinden, geht anderen Nationen gehörig auf die Nerven. Vor allem, wenn das Sparen zur Doktrin und zur politischen Waffe wird: Wenn Kanzlerin Angela Merkel zum Höhepunkt der Finanzkrise behauptet (und der TV-Mitschnitt läuft im DHM als Endlosschleife): „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind“, dann ist das pures Wunschdenken.

Die erste Sparkasse, die sich um das Geld des „kleinen Mannes“ kümmerte und der Daseins- und Altersvorsorge von Arbeitern und Handwerken diente, wurde erst 1778 im Hamburg gegründet. Es folgte ein Siegeszug der Spar-Idee, schon um 1900 gab es in Deutschland mehr als 9000 Sparkassen. Das gefiel auch den Kapitalisten, denn „wer spart, hat etwas zu verlieren und geht nicht auf die Straßen“. Kaum verwunderlich also, dass für Karl Marx die Sparkassen „goldene Ketten“ waren, „woran die Regierungen einen großen Anteil der Arbeiterklasse hält.“ Dass Sparen immer auch ideologischen Zwecken diente und die Deutschen ins Unglück stürzte, macht die umfangreiche Schau mehrfach deutlich: Die vom kleinen Sparer gezeichneten Kriegsanleihen waren nach dem Ersten Weltkrieg nichts mehr wert, die Hyperinflation der Weimarer Republik beraubte sie endgültig ihrer Altersvorsorge. Ein paar Jahre später versprachen die Nazis: „Dein Sparen hilft dem Führer!“, und auf Plakaten war zu lesen: „Deutsche Art bewahrt, wer arbeitet und spart!“

Es klingt paradox und ist doch die bizarre historische Wahrheit: Während der Krieg Europa in Schutt und Asche legt und Millionen Menschen sterben, wächst das Sparvermögen der Deutschen von 29 auf 97 Milliarden Reichsmark. Doch kaum ist der Krieg verloren und hat die Währungsreform von 1948 die Guthaben dramatisch abstürzen lassen, geht das Sparen hierzulande wieder munter von vorne los.

Info Deutsches Historisches Museum: „Sparen – Geschichte einer deutschen Tugend“, bis 4. November, tägl. 10-18 Uhr

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