Bochum "Amerika" nach Kafka als Drama in Bochum

Bochum · Franz Kafkas Prosawerke werden derzeit häufig für die Theaterbühne adaptiert: In Köln zeigt die Performance-Gruppe Signa gerade die "Hundsprozesse", und in Bochum hat sich nun der als "Punk-Regisseur" gehandelte Jan Klata an das Romanfragment "Amerika" gewagt und den Stoff gemeinsam mit dem Dramaturgen Olaf Kröck kräftig eingedampft.

Kafkas Text erzählt die Geschichte des 16-jährigen Karl Rossmann, den seine Eltern nach einem Fehltritt – ein Dienstmädchen hat ihn verführt und ein Kind von ihm bekommen – nach Amerika abschieben, wo er sich allein durchschlagen muss. Rossmann irrt arglos, gutmütig und duldsam durch die ihm fremde Welt und ihre seltsamen Herausforderungen, die sich ihm gleichsam aufdrängen. Zuerst steht er auf dem Schiff einem Heizer bei, der sich ungerecht behandelt sieht, dann trifft er unversehens auf einen reichen Onkel, den er alsbald wieder verliert, besucht Geschäftsfreunde des Onkels, zieht mit einem halbkriminellen Duo übers Land, wird Liftboy im "Hotel Occidental" und kann sich auch da nicht halten.

Es ist die Geschichte eines unaufhaltsamen Abstiegs im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Der polnische Regisseur setzt in seiner Bochumer Inszenierung konsequent auf Stilisierung, Überzeichnung und Künstlichkeit. Die Bühne besteht aus grell bemalten Pappwänden, die Interieurs, Landschaften und Aussichten zeigen und nach jeder Szene mit Schwung zu Boden fallen, um das nächste Bild freizugeben. Wie in einem Kinder-Pop-Up-Bilderbuch, in dem man ausgeschnittene Einzelteile herausziehen kann, sind auch Tische, Sofas und Stühle bloß aus Pappe, werden aufgeklappt und wieder versenkt. So entsteht eine zirzensisch aufgeheizte Comic-Ästhetik, die zunächst bestens funktioniert. Die glänzend aufgelegten, spielfreudigen Schauspieler springen grotesk kostümiert ständig hin und her zwischen lakonisch untertriebenem und extrem rhythmisiertem Sprechen, bewegen sich in abgezirkelten Choreographien und dann wieder in aufreizender Langsamkeit.

Mit der Zeit nutzen sich Klatas holzschnittartige Theatermittel leider ab, in der überlangen Hotelszene, in der alle Protagonisten ägyptische Schreit-Tänze exerzieren müssen, schlägt das Konzept in alberne Langeweile um. Dennoch gelingt Klata in der Summe – vor allem auch ein Verdienst des großartigen, glaubwürdigen Dimitrij Schaad in der Hauptrolle als Karl Rossmann – ein phantastisches, groteskes und sogar komisches Kafka-Theater.

Info Weitere Termine: 4., 20. Mai, 1., 18., 25. Juni, jeweils 19:30 Uhr. Karten unter: www.schauspielhausbochum.de

(RP)
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