Computer-Messe Cebit Mehr Party, weniger Technik

Hannover · Jahrelang gingen die Besucherzahlen auf der Computermesse Cebit zurück. Jetzt wird mit Musik und Diskussion ein Neuanfang gemacht. Vodafone kündigt trotzdem spannende Projekte an.

 Der 1,20 Meter große „Pepper“ der japanischen SoftBank Robotics ist eine Cebit-Attraktion. Hier spricht er mit einer Besucherin.

Der 1,20 Meter große „Pepper“ der japanischen SoftBank Robotics ist eine Cebit-Attraktion. Hier spricht er mit einer Besucherin.

Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich

Was war viele Jahre lang die Cebit? Der frühere Staatskonzern Deutsche Telekom präsentierte seine Macht auf einem riesigen Stand der Computermesse in Hannover, die Besucher froren oft bei Null-Grad im März, und es ging vorrangig um technische Details von Software, Geräten und Netzwerken.

Dieses Jahr soll alles anders werden. Am Mittwoch spielt der Hamburger Hip-Hop-Musiker Jan Delay. Das wäre früher undenkbar gewesen. Die Deutsche Telekom fehlt mit einem eigenen Stand, stattdessen präsentiert sich die Düsseldorfer Vodafone umso selbstbewusster. Als neue Jahreszeit wurde der frühe Sommer als Termin für die nun etwas lockerere Messe gewählt. Und statt Technikbegeisterung soll es auch mehr Technikdiskussion geben wie bei der weltweit bekannten Trendmesse South-by-South-West in Austin (Texas).

Der aus den USA angereiste Internetpionier Jaron Lanier rief als Starredner gestern dazu auf, sich bei Facebook, Twitter und anderen sozialen Netzwerken abzumelden: Es sei „bizarr und krank“, sich laufend mit scheinbar wichtigen Nachrichten auf diesen Netzwerken zu beschäftigen. Viele Nutzer seien der Meinung, ohne Social-Media-Präsenz würden sie gar nicht mehr existieren. „Aber das ist eine Illusion. Wenn Du versuchst, da raus zu kommen, wirst Du feststellen ,dass das gar nicht so schwer ist.“ Auch US-Präsident Donald Trump solle auf Entzug gehen: Ohne Twitter würde Vielnutzer Trump sicher klarer denken. Lanier: „Ich glaube, er hätte einen viel besseren Charakter, würde seine Abhängigkeit geheilt.“

Dabei versuchen viele Aussteller, dem Trend zu einer weniger verbissenen Messe zu folgen. Der deutsche Softwareriese SAP stellte ein 60 Meter hohes Riesenrad auf. So sind ungewöhnliche Kundengespräche in den 40 Kabinen möglich. Der Halbleiterbauer Intel lässt massenhaft Drohnen starten – Digitalisierung zum Anfassen lautet die Devise.

In einem Wasserbecken können Besucher auf einer „stehenden Welle“ ihr Geschick auf einem Surfbrett testen. Man muss also nicht immer nur im Internet sein, um zu surfen. Volkswagen präsentiert als Konzept ein autonom fahrendes Fahrzeug speziell für Outdoor-Fans: Der Nutzer verlässt es für eine Wanderung oder Mountain-Bike-Tour, und per GPS-Ortung und Mobilfunk wird das Auto zum Abholen bestellt. „Ich finde es spannend, dass die Cebit sich stark öffnet“, sagt Volker Pfirsching von der Unternehmensberatung Arthur D. Little, „auch die speziellen Formate für Unternehmensgründer sind ein interessanter Neuanfang.“

Trotz aller Auflockerung geht es natürlich trotzdem vorrangig um gute Geschäfte und den Austausch von Informationen.

So gehört die Zukunft der künstlichen Intelligenz zu den Hauptthemen der Vorträge und Diskussionsveranstaltungen. Immerhin versuchen viele Unternehmen ihren Kundendienst mit Hilfe von selbstlernenden Computern, Robotern sowie der viel intensiveren Auswertung von Daten zu verbessern.

Auch die neue Blockbuster-Technologie ist ein wichtiges Thema, weil sich so Daten viel besser austauschen und teilen lassen. Und auf speziellen Brillen für Augmented-Reality können Besucher ausprobieren, wie Informationen und Bilder optisch mit der realen Welt verschmelzen können.

Auch Vodafone Deutschland folgt dem Cebit-Trend. Bei Präsentationen zeigen die Düsseldorfer auf ihrem Messestand, wie sie immer mehr Gegenstände wie Mülleimer oder Überwachungskameras verknüpfen. Damit die Besucher ihren Spaß haben, können sie einen 300 Kilometer entfernt stehenden Bagger per mobiler Fernbedienung über die künftige Funktechnik 5G steuern. „Der Kommunikation in Echtzeit gehört die Zukunft“, sagt Hannes Ametsreiter, Chef von Vodafone Deutschland.

Ametsreiter nutzt aber auch die Cebit, um Projekte anzukündigen. Das aktuelle LTE-Netz soll entlang der Autobahnen stark ausgebaut werden. Er kündigte an, das Mobilfunknetz in Düsseldorf sowie in Frankfurt noch dieses Jahr auf ein Übertragungstempo von bis zu einem Gigabit aufzurüsten, um so Anwendungen mit der ab 2020 startenden 5G-Technologie ausprobieren zu können.

Falls die angekündigte Übernahme der Kölner Unitymedia für mehr als 15 Milliarden Euro gelinge, wolle Vodafone insgesamt 25 Millionen Haushalten bis 2020 ein Internettempo von bis zu einem Gigabit anbieten, ergänzt er. Damit will er Werbung für die umstrittene Übernahme machen, Vodafone will den Marktführer Telekom sehr viel härter als bisher attackieren.

Gleichzeitig setzt Vodafone auf mehr Kooperationen. Mit dem Autozulieferer Continental will die Firma Autos künftig befähigen, Fußgänger oder Fahrradfahrer (mit Handys) per Mobilfunk erkennen zu können. „Das Handy wird zum digitalen Schutzschild“, so Ametsreiter.

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