Zweifel an der Kreditwürdigkeit der USA

Trotz hoher Schulden hatten die USA bislang von den Rating-Agenturen Bestnoten erhalten. Erstmals drohte gestern Standard & Poor's wegen des mangelnden Sparwillens der Politik mit einer Senkung der Note. Die Börsen reagierten weltweit verschreckt.

New York (RP) Die Finanzwelt in den USA ist erschüttert. Erstmals hat eine Rating-Agentur dem Land die gelbe Karte gezeigt. Standard & Poors's warnte gestern den größten Schuldner der Welt überraschend vor einem Entzug der besten Note für die Kreditwürdigkeit ("AAA") und senkte den Ausblick von "stabil" auf "negativ". Die Kreditwächter begründeten dies mit der Gefahr, dass sich die Politiker in Washington nicht auf einen Kurs zur Reduzierung des ausufernden Schuldenberges einigen können.

Die Noten einer Rating-Agentur haben große Auswirkungen auf die Zinsen, die ein Staat für seine Kredite zahlen muss. Sinkt die Note, verlangen die Gläubiger höhere Risikoprämien und damit höhere Zinsen. Damit verschärfen sich die Schuldenprobleme in der Regel weiter.

Die USA haben seit Langem einen hohen Schuldenstand aufgebaut. Doch bislang hatten die Rating-Agenturen damit kein Problem. Das Mutterland des Dollars kann seine Kredite immer pünktlich zurückzahlen, war die Überzeugung. Entsprechend haben die USA auch nie etwas anderes als die Bestnote "AAA" erhalten. Doch nach den Kriegen in Afghanistan und im Irak sowie der teuren Bekämpfung von Finanz- und Wirtschaftskrise haben die Schulden ein enormes Ausmaß erreicht.

Die Neuverschuldung beläuft sich in diesem Jahr auf 1,6 Billionen Dollar (1,1 Billionen Euro). Das sind sind rund zehn Prozent der Wirtschaftsleistung. Der Gesamtschulden-Berg dürfte bis Mitte Mai auf 14,3 Billionen Dollar steigen und damit die gesetzlich vorgeschriebene Schulden-Obergrenze erreichen. Finanzminister Timothy Geithner hat den Kongress erst am Wochenende aufgefordert, die Schuldengrenze zu erhöhen.

Standard & Poor's (S&P) kann nicht erkennen, dass die Politik das Ruder umlegt. "Mehr als zwei Jahre nach Beginn der aktuellen Krise haben sich die US-Politiker noch immer nicht geeinigt, wie sie den finanzpolitischen Abwärtstrend umkehren oder den langfristigen Finanzdruck angehen", erläuterten die Kreditwächter ihre Entscheidung. Die Wahrscheinlichkeit eines Verlusts der Bestnote innerhalb von zwei Jahren bezifferten sie auf mindestens ein Drittel. Die USA hätten im Vergleich zu anderen Ländern mit der Bestnote – wie Deutschland – sehr hohe Haushaltsdefizite, erklärte S&P. "Wie diese reduziert werden sollen, ist uns nicht klar."

Das Weiße Haus erklärte, bereits am vergangenen Freitag von S&P über den anstehenden Schritt informiert worden zu sein. Gestern sagte dessen Sprecher, Jay Carney, die Entscheidung von Standard & Poor's sei ein willkommener Aufruf zu einer überparteilichen Einigung zur Senkung des Defizits.

Dass gespart werden muss, ist allen Seiten in der Tat bewusst. Umstritten zwischen Republikanern und Demokraten sind aber das Wie und Wo. Während Präsident Barack Obama bei den Ausgaben sparen und Steuererleichterungen für Gutverdiener auslaufen lassen will, sprechen sich die Republikaner für deutlich weitergehende Einsparungen aus, wollen aber an den Steuergutschriften festhalten. Zugleich wittern sie die Chance, die ungeliebte Gesundheitsreform doch noch zu kippen.

Entsprechend unterschiedlich fiel gestern auch die Reaktion auf die Warnung von Standard & Poor's aus. Der republikanische Abgeordnete Eric Cantor nutzte die Gelegenheit für einen Seitenhieb auf die Demokraten und sprach von einem Weckruf für diejenigen, die die US-Schuldenobergrenze "blind" erhöhen wollten. Der demokratische Abgeordnete Steny Hoyer hielt dagegen, die S&P-Warnung belege, dass die Republikaner die Schulden-Obergrenze nicht für parteiliche Zwecke missbrauchen dürften.

Die Wall Street hat verschreckt auf die Warnung reagiert. Die Börsen-Indizes wie der Dow Jones Index verloren fast zwei Prozent, während Gold und Silber neue Rekordstände erreichten. Auch der deutsche Dax verlor über zwei Prozent und fiel zeitweise unter die wichtige Marke von 7000 Punkten.

Anleger flüchteten aus amerikanischen Staatsanleihen und kauften deutsche Anleihen. Entsprechend stieg der Zins, der für zehnjährige US-Anleihen fällig wird, auf 3,4 Prozent. Noch im Oktober hatte die US-Regierung nur 2,4 Prozent zahlen müssen. Experten rechnen mit einem weiteren Anstieg. Die Fondsgesellschaft Pimco erwartet nun eine Vier vor dem Komma.

(RP)
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