Dieselskandal VW-Manager sollen vor Gericht

Die Staatsanwaltschaft will VW-Chef Herbert Diess, seinen Vorvorgänger Martin Winterkorn und Chefaufseher Hans Dieter Pötsch anklagen. Der Aufsichtsrat hält dennoch an ihnen fest.

  Hans Dieter Poetsch und Herbert Diess (v.l.) auf einem Archivbild.

Hans Dieter Poetsch und Herbert Diess (v.l.) auf einem Archivbild.

Foto: AP/Michael Sohn

Neue Eskalation im Dieselskandal bei Volkswagen: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig erhebt vor dem Landgericht Anklage gegen VW-Chef Herbert Diess, Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch und Ex-VW-Chef Martin Winterkorn. Wie Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe in Braunschweig mitteilte, geht es um den Vorwurf der Marktmanipulation.

Demnach war Winterkorn bereits im Mai 2015 über die Abschalt‑­software in den Diesel-Fahrzeugen vom Typ EA 189 informiert, Pötsch seit dem 29. Juni und Diess seit dem 27. Juli. Ans Licht gekommen war die Schummel-Praxis, bei der die Dieselmotoren während des Testbetriebs deutlich geringere Mengen gesundheitsschädlicher Stickstoffoxide (NOx) freisetzten als im Regelbetrieb, erst durch eine Mitteilung der US-Behörden im September. Die Anleger seien darüber nicht rechtzeitig mit einer sogenannten Ad-hoc-Mitteilung informiert worden.

Die Anwälte der Beschuldigten wiesen die Vorwürfe zurück. Der Aufsichtsrat von Volkswagen erklärte nach einer Sitzung des Präsidiums, man könne „aufgrund der seit Herbst 2015 durchgeführten umfangreichen und unabhängigen eigenen Untersuchungen auch aus heutiger Sicht weiterhin keine vorsätzlich unterlassene Information des Kapitalmarkts erkennen“. Die Zusammenarbeit mit beiden Managern solle fortgesetzt werden. Der Aufsichtsrat wird dies am Mittwoch auf einer außerordentlichen Sitzung erörtern.

Der Automobil-Experte Ferdinand Dudenhöffer begrüßte diesen Schritt des Konzerns: „Man kann nicht jeden Manager freisetzen oder beurlauben, nur weil gegen ihn ein Verfahren angestrebt wird.“ Allerdings gehe er fest davon aus, dass das Gericht die Klage zulässt. „Sollte es dann am Ende dazu kommen, dass Marktmanipulationen vorgelegen haben, dürfte das für den Konzern gut eine Milliarde Euro kosten. Für Herrn Pötsch würde es dabei bei Volkswagen eng“, sagte der Professor und Leiter des Center Automotive Research der Universität Duisburg-Essen. „Ad-hoc-Mitteilungen müssen ja nicht von einem kleinen Buchhalter herausgegeben werden, sondern werden in der Regel von einem Vorstandschef oder Finanzvorstand veranlasst – und das waren Winterkorn und Pötsch.“

Sollte das Gericht Marktmanipulationen feststellen, dann müsse der VW-Aufsichtsrat – nicht zuletzt vertreten durch den niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) – seiner moralischen Verantwortung nachkommen, sagte Dudenhöffer: „Dann wäre Herr Pötsch im Amt des Chefkontrolleurs nicht mehr zu halten.“ Diess sei dagegen als damaliger Markenvorstand allenfalls mittelbar verantwortlich: „Er dürfte das Verfahren überstehen.“ Dudenhöffer warnte davor, den Vorstandschef auszutauschen: „In einer derartig radikalen Umbruchsituation das Zugpferd auszuwechseln, wäre eine fatale Fehlentscheidung.“

„Grundsätzlich gilt natürlich die Unschuldsvermutung“, sagte der Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Ulrich Hocker. „Bei der Staatsanwaltschaft handelt es sich um eine Landesbehörde, bei der man nicht sicher sein kann, dass völlige Unabhängigkeit gegeben ist.“ Insofern halte er sich, solange vom Gericht nicht über die Zulässigkeit der Klage entschieden sei, mit einer Beurteilung zurück. „Für uns ist wichtig, dass endgültig die Frage geklärt wird, wer was zu welchem Zeitpunkt wusste. Eine solche Klärung hätten wir gerne per Sonderprüfung feststellen lassen, das wird jedoch von VW über den Instanzentzug verhindert“, kritisierte Hocker.

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