Düsseldorf Textilbranche klagt wegen Ökostrom

Düsseldorf · Sie wollen die ausufernden Kosten für die Förderung von Wind- und Sonnenkraft nicht länger mittragen: Drei Unternehmer aus Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen klagen gegen die deutsche Ökostrom-Regeln. Der Rechtsstreit betrifft alle deutschen Stromverbraucher.

Die Energiewende bekommt neuen Gegenwind. Weil sie die dramatisch steigenden Kosten der Öko-Energien nicht länger mittragen wollen, haben drei Textilunternehmen Musterklagen eingereicht. Die drei Unternehmer aus Bayern, Sachsen und Baden-Württemberg erklärten gestern, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sei verfassungswidrig.

Das EEG ist eine Umlage, über die alle Stromverbraucher – also Privatkunden wie Unternehmen – die üppige Förderung vor allem von Wind- und Solarkraft bezahlen. Im vergangenen Jahr kostete die Umlage die deutschen Stromverbraucher fast 17 Milliarden Euro. Wegen des ungebrochenen Booms der Öko-Energie wird erwartet, dass der Förderbetrag im kommenden Jahr auf weit über 20 Milliarden Euro steigt. Deshalb will die Textilwirtschaft, die bundesweit 120 000 Menschen beschäftigt, jetzt die Reißleine ziehen. Nach Verbandsangaben betragen die Umlage-Mehrkosten für die Branche heute schon 70 Millionen Euro pro Jahr.

Die drei Unternehmer ziehen stellvertretend für die deutsche Textilwirtschaft in Bochum, Stuttgart und Chemnitz vor Gericht. Eine erste mündliche Verhandlung ist für November geplant. Am Ende könnte der Fall sogar bis vor das Bundesverfassungsgericht gehen. Bereits seit März hatten die Firmen die EEG-Umlage nicht mehr gezahlt. Der Boykott sollte Klagen der Energieversorger provozieren. Die kamen aber nicht. Deshalb klagen die Unternehmer nun ihrerseits. Die Umlage zahlen sie nur noch unter Vorbehalt.

Am Mittleren Niederrhein begrüßt man den Vorstoß. Nicht nur, weil die Region mit 3000 Mitarbeitern und international tätigen Textilunternehmen wie der Aunde-Gruppe immer noch eine Hochburg der Branche in Deutschland ist. Sondern auch, weil die Klage eine Lanze für den gesamten Mittelstand brechen könnte. "Größere Unternehmen mit hohem Stromverbrauch profitieren zu Recht von Ausnahmeregelungen. Kleine und mittlere Industrie-Unternehmen fallen hingegen meist knapp unter die Ausnahme-Grenzwerte und müssen die EEG-Umlage voll bezahlen", sagt Dieter Porschen, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein. Sein IHK-Bezirk um die Städte Krefeld, Viersen, Neuss und Mönchengladbach ist besonders stark vom Mittelstand geprägt. Porschen spricht für 22 000 Unternehmen, wovon 2800 kleinere Industrie-Unternehmen mit entsprechendem Stromverbrauch sind. "Nur eine Handvoll davon ist von der EEG-Umlage befreit, für alle anderen sind die ausufernden Ökostrom-Kosten ein gefährlicher Standort-Nachteil", so Porschen. EU-Kommissar Oettinger sagte, Deutschland habe die zweithöchsten Stromkosten in Europa. Er forderte gestern in der "Bild" eine Deckelung der EEG-Umlage.

So werden Ökoenergien zunehmend Opfer ihres eigenen Erfolges. Wegen der üppigen Förderung hat sich allein die Zahl der Solaranlagen von 2008 bis 2010 mehrfach verdoppelt – inzwischen schimmern 1,1 Millionen Photovoltaik-Kraftwerke auf deutschen Dächern. Rechnerisch kommen täglich 2500 neue Anlagen hinzu. Das EEG verpflichtet die deutschen Stromverbraucher dazu, jede davon über 20 Jahre zu fördern. Laut Rheinisch-Westfälischem Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) liegt der Gesamtanspruch der deutschen Solaranlagenbesitzer inzwischen bei 100 Milliarden Euro. Für 2013 werden weitere massive Steigerungen erwartet.

(RP)
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