Verbraucherschützer fordert Steuerbonus gegen Vernichtungen

Berlin · Online-Händlern soll die Mehrwertsteuer erlassen werden, wenn sie retournierte Waren spenden statt sie einfach zu vernichten. Aktuell zahlen Amazon und Co. für Spenden den vollen Steuersatz von 19 Prozent.

 Pakete, die auf einem Paketband liegen. Bestellungen über Bestellungen – der Online-Handel boomt.

Pakete, die auf einem Paketband liegen. Bestellungen über Bestellungen – der Online-Handel boomt.

Foto: dpa-tmn/Rainer Jensen

Deutschlands oberster Verbraucherschützer, Klaus Müller, hat steuerliche Erleichterungen für Online-Händler gefordert, die retournierte Waren an gemeinnützige Organisationen spenden statt sie zu vernichten. „Dass funktionsfähige und neuwertige Produkte systematisch vernichtet werden, ist schwer erträglich“, sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) unserer Redaktion. Die zurückgegebenen Waren müssten weiter verwendet werden. „Dafür müssen Anreize geschaffen werden. Zum Beispiel das Spenden von Produkten an gemeinnützige Organisationen steuerlich zu erleichtern“, sagte Müller.

Auch die Grünen fordern steuerpolitische Schritte, um das massenweise Vernichten von zurückgeschickten Waren durch Online-Händler wie Amazon abzustellen. Für Produkte, die Amazon und Co. kostenlos an Hilfsorganisationen abgeben, müssen die Händler in Deutschland den vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent zahlen. Lediglich Lebensmittel sind davon ausgenommen.

Wegen dieser Zusatzkosten ist der Anreiz für viele Online-Händler groß, schwer wiederverkäufliche Waren einfach zu vernichten statt sie zu spenden. Amazon spendet zwar nach eigenen Angaben trotzdem Produkte und führt dafür die Mehrwertsteuer an die deutschen Behörden ab – allerdings könnte der wertvollste Konzern der Welt dieses Engagement auch noch ausweiten. Die Grünen wollen darüber hinaus ein gesetzliches Verbot der Vernichtung zurückgegebener Waren durchsetzen.

Wiederverwertung vor Recycling, Recycling vor Beseitigung – diese Regeln des Abfallrechts sollten konsequent durchgesetzt werden, sagte Müller. „Das Problem hat seine Wurzel auch bei den großen Mengen von Produkten zweifelhafter Qualität, die heute über Online-Marktplätze vertrieben werden.“ Verbraucher könnten mangelnde Qualität nur schwer erkennen. „Wir brauchen eine striktere Kontrolle von Produktsicherheit und Qualität“, sagte der vzbv-Chef. „Außerdem brauchen wir langlebigere Produkte und eine bessere Verbraucherinformation über diese Aspekte – und nicht zuletzt kann jede und jeder sich vor dem Kauf auch mal fragen: Brauche ich das wirklich?“

Auch Gerd Billen, Staatssekretär im Verbraucherschutz-Ministerium, erklärte, in Deutschland werde zu viel weggeworfen. „Davon ist insbesondere der Online-Handel betroffen – aber auch jeder einzelne muss sich Gedanken über sein eigenes Wegwerfverhalten machen“, sagte Billen. „Für Retouren im Online-Handel muss gelten: Das Vernichten von noch brauchbarer Ware darf nicht zur Regel werden“, mahnte Billen.

Wirtschaftswissenschaftler der Universität Bamberg hatten Ende April ermittelt, dass die Bundesbürger bei Bestellungen im Internet jedes sechste Paket wieder zurückschicken. Im vergangenen Jahr sind das demnach 280 Millionen Pakete und 487 Millionen Artikel gewesen.

Bei Kleidung und Schuhen geht sogar fast die Hälfte der Pakete zurück an den Absender. Nach Erkenntnis der Forscher landen rund vier Prozent der zurückgeschickten Artikel im Müll. Nur etwa drei Prozent würden an industrielle Verwerter verkauft oder an gemeinnützige Organisationen gespendet.

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