Interview Uwe Hochgeschurtz „In Frankreich ist die Infrastruktur besser als in Deutschland“

Brühl · Der Deutschland-Chef von Renault glaubt, dass die traditionellen Autokonzerne auch das Geschäft mit der E-Mobilität beherrschen werden. Um die deutsche Infrastruktur zu verbessern, schlägt eher eine unkonventionelle Lösung vor.

 Uwe Hochgeschurtz arbeitet seit 2004 bei Renault Deutschland, die Führung übernahm er 2016. Privat liebt der Kölner das Rennrad. 

Uwe Hochgeschurtz arbeitet seit 2004 bei Renault Deutschland, die Führung übernahm er 2016. Privat liebt der Kölner das Rennrad. 

Foto: picture alliance / SvenSimon/Malte Ossowski/SVEN SIMON

Es gibt da diese Brücke, aber Uwe Hochgeschurtz kommt nicht auf den Namen. In Frankreich. Vom Architekten Norman Foster. Die Brücke ist für den Deutschland-Chef von Renault wichtig als Beleg, dass Infrastruktur die Landschaft nicht verschandeln muss. Warum? Dazu später mehr. Denn eigentlich soll es ja um die Zukunft der Mobilität gehen – und nicht (wie eine kurze Recherche per Smartphone ergibt) um das Viadukt von Millau.

Herr Hochgeschurtz, bislang ist Renault dank des Modells Zoe führend bei Elektrofahrzeugen. Wird VW Sie mit dem neuen ID vom Elektro-Thron stoßen? Immerhin gab es 20.000 Vorbestellungen – und Sie haben vom Zoe 2018 nur 7600 Stück verkauft.

Hochgeschurtz Der Zoe legt auf jeden Fall weiter kräftig zu und ist per Ende Mai die Nummer eins der Elektroautos in Deutschland. Diese Nummer-1-Position können wir mittelfristig halten. Der Markt ist groß genug, dass alle wachsen können. Ich denke, dass wir auf absehbare Zeit in Europa Marktführer bei Elektrofahrzeugen bleiben. Ob uns das auch in Deutschland gelingt, wird sich zeigen

Wie verteidigen Sie den Spitzenplatz?

Hochgeschurtz Wir haben einen Kosten- und Kompetenzvorsprung. Viele unserer Entwicklungen sind schon abgeschrieben, so dass wir unsere Fahrzeuge günstiger anbieten können. Gleichzeitig haben wir bei der Qualität und im Handel viele Erfahrungen gesammelt, weil wir die Fahrzeuge seit Jahren verkaufen und warten. Und wir werden weitere Elektrofahrzeuge auf den Markt bringen. Bis 2022 wird Renault acht rein elektrische Modelle haben.

Momentan preschen alle Hersteller vor und kündigen reihenweise elektrische Modelle an, obwohl viele skeptisch sind, ob der Elektroantrieb wirklich die sinnvollste Technologie ist. Ist dieser Wandel momentan nicht vielmehr politisch getrieben als durch die rationale Kaufentscheidung des Verbrauchers?

Hochgeschurtz Die Politik setzt die Rahmenbedingungen. Wenn sie als Unternehmen die Produkte anbieten wollen, die künftig gefragt sind, müssen Sie diesen Weg mitgehen. Es gibt keine Alternative. Aber die Automobilindustrie ist stark genug, um diesen Wandel zu gestalten. Ich gehe davon aus, dass auch in zehn Jahren noch die meisten der heutigen Hersteller am Markt sein werden – nur mit einer völlig anderen Produktpalette.

Momentan hat man eher das Gefühl, dass die Milliarden-Investitionen in E-Mobilität und autonomes Fahren die Branche überfordern.

Hochgeschurtz In den 1980er Jahren waren es die Investitionen für den aufstrebenden Diesel-Motor, die Löcher in die Bilanzen gerissen haben. Der war damals eine CO2-günstige Alternative zum Benzin-Motor – und der Staat hat den Wandel durch die niedrigere Besteuerung von Diesel-Kraftstoff forciert. Natürlich musste zunächst investiert werden – aber am Ende gab es nur Gewinner: Die Hersteller verkauften viele Diesel, die Kunden hatten sparsamere Autos und der CO2-Ausstoß war niedriger. So wird es auch dieses Mal sein.

Geraten die Hersteller nicht zu sehr in eine Abhängigkeit von asiatischen Batterie-Produzenten?

Hochgeschurtz In der öffentlichen Wahrnehmung ist die Automobil-Industrie ihrer Zeit immer hinterher. Alle zehn Jahre heißt es, wir hätten irgendetwas verschlafen. Komischerweise sind die großen Hersteller, inklusive der Renault Gruppe, immer noch da. Und das mit guten Renditen und stabilen Arbeitsplätzen.

Und, was ist mit den Abhängigkeiten?

Hochgeschurtz Natürlich steigt tendenziell die Abhängigkeit von Batterie-Produzenten, aber wir werden dafür weniger abhängig sein von fossilen Brennstoffen. Unter dem Strich sind wir eher Gewinner – bei Batterien können wir die Primärenergie langfristig immerhin selber produzieren.

Wie geht die Renault-Gruppe mit der Batterie-Verfügbarkeit um?

Hochgeschurtz Wir haben langfristige Verträge mit Lieferanten. Momentan gibt es keine Pläne, eine eigene Batteriezellen-Fertigung aufzubauen.

Und wenn sich der Markt schneller dreht als gedacht? Im Frühjahr musste Renault einräumen, dass die Nachfrage beim Elektro-Transporter Kangoo Z.E. das Angebot übersteigt.

Hochgeschurtz Naja, das ist doch immer so in einer Marktwirtschaft: Wenn die Nachfrage stark steigt, wird es kurzfristig immer zu mehr Knappheit und höheren Preisen kommen. Aber langfristig wird es für diese Technologien dann andere Investoren geben – momentan scheinen ja auch Länder wie Deutschland wieder Industriepolitik betreiben zu wollen, um Fertigungen hier anzusiedeln.

Werden die chinesischen Hersteller irgendwann den europäischen Markt erobern – so wie es vor einigen Jahrzehnten Japaner und Koreaner vormachten? Immerhin setzt China stark auf Elektroautos.

Hochgeschurtz Natürlich wollen die Chinesen langfristig nicht nur Spielsachen und Kleinelektronik exportieren. Es gibt inzwischen eine leistungsfähige Automobil-Industrie in China, da schielt man selbstverständlich auch auf den europäischen und amerikanischen Markt.

Der geplante Zusammenschluss von Renault und Fiat-Chrysler wäre eine Antwort auf diese Herausforderungen gewesen. Nun ist er geplatzt. Welche Folgen hat das?

Hochgeschurtz Renault ist gut aufgestellt, die Allianz Renault-Nissan-Mitsubishi ist weltweit erfolgreich und war 2018 die Nummer eins der Automobilgruppen in Bezug auf die Zahl der verkauften Pkw und leichten Nutzfahrzeuge. Daher zählen wir sicher schon heute zu den Herstellern, die gut auf die genannten Herausforderungen vorbereitet sind. Der Rückzug des FCA Angebots ist schade, aber ich erkenne keine negativen Folgen für uns.

Was ist, wenn die Menschen in ein paar Jahren kein Auto mehr kaufen wollen, weil sie nur noch Uber & Co. nutzen?

Hochgeschurtz Das Auto ist immer noch der Traum der individuellen Mobilität. Und die Menschen streben immer noch an, zu jeder Zeit mobil zu sein. Ich wohne in Köln. Natürlich nutze ich da auch Angebote wie Carsharing. Trotzdem habe ich ein Auto in der Garage stehen und nutze es regelmäßig und flexibel. Insofern sehe ich es auch sehr kritisch, dass die Infrastruktur in NRW für die individuelle Mobilität so schlecht ausgebaut wird.

Inwiefern?

Hochgeschurtz Wir bräuchten in Köln beispielsweise dringend eine weitere Brücke, die über den Rhein führt. Wenn die Infrastruktur nicht wächst, schränkt das die Mobilität ein – und das geht zulasten des Wirtschaftswachstums. Natürlich wünsche ich mir auch, dass mehr Menschen mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Aber das können am Ende eben nicht alle.

Wird in Frankreich mehr getan?

Hochgeschurtz Im Großen und Ganzen ist die Infrastruktur in Frankreich besser als in Deutschland. Mit dem TGV können Sie in drei Stunden von Paris ans Mittelmeer fahren, auch die Verbindung zwischen den Flughäfen ist sehr günstig. Die Autobahnen sind zwar mautpflichtig, aber dafür auch in einem viel besseren Zustand.

Sollten die Autobahnen in Deutschland privatisiert werden?

Hochgeschurtz Es sollte kein Tabu geben, bestimmte Verkehrsprojekte zu privatisieren. Warum sollte nicht eine große Brücke über den Rhein durch ein privates Konzept umgesetzt werden? Vielleicht würden einige Menschen sogar Maut bezahlen, wenn sie auf der Strecke zwischen Köln und Frankfurt eine halbe Stunde Zeit sparen könnten.

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