München Kaeser soll an die Siemens-Spitze rücken

München · Das vorzeitige Aus für den bisherigen Vorstandsvorsitzenden Peter Löscher scheint perfekt. Sein Nachfolger muss vor allem Probleme in den Sparten Industrie und Energie lösen. Für die Konsolidierung gilt der Finanzmann als der Richtige.

 Joe Kaeser im April während es eines Besuchs bei unserer Zeitung.

Joe Kaeser im April während es eines Besuchs bei unserer Zeitung.

Foto: endermann

Das offizielle Ende für den noch amtierenden Siemens-Chef Peter Löscher kam schon vier Tage, bevor die Kontrolleure des Konzerns es formal besieglen konnte. Der Aufsichtsrat werde bei seiner Sitzung am kommenden Mittwoch "über das vorzeitige Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden beschließen", teilte Siemens am Wochenende mit. Und die Entscheidung über Löschers Nachfolge scheint auch gefallen. Alles läuft auf Finanzvorstand Joe Kaeser hinaus. Wobei Löscher sich offenbar mit seiner Entmachtung noch gar nicht abgefunden hat. Er wolle nur gehen, wenn auch Aufsichtsratschef Gerhard Cromme gehen müsse, schreibt die "Süddeutsche Zeitung". Die Konsequenz dieses Ultimatums: Sollte Löscher nicht freiwillig seinen Stuhl räumen, bräuchte es im Aufsichtsrat eine Zwei-Drittel-Mehrheit für seinen Rauswurf. Bei einer einvernehmlichen Trennung hätte eine einfache Mehrheit gereicht.

Ob diese Differenzierung in den nächsten Tagen etwas an Löschers Position verändern wird, ist zu bezweifeln. Nach Angaben aus dem Siemens-Umfeld gab es bei der Entscheidung des Kontrollgremiums gegen den Österreicher "eine breite Mehrheit".

So oder so ist Joe Kaeser der auserwählte Kandidat als Nachfolger. Die offizielle Siemens-Version lautete noch, dass ein anderes Vorstandsmitglied zum neuen Konzernchef ernannt werden soll. Aber das ist wahrscheinlich nur der Tatsache geschuldet, dass Kaeser noch nicht offiziell zum neuen Spitzenmann ernannt ist. Auch das muss das Kontrollgremium erledigen. Löscher, dessen Vertrag noch bis 2017 gelaufen wäre, soll sein Abschied mit neun Millionen Euro versüßt werden. Das entspräche der Vergütung für zwei Jahre in seinem Amt – mehr ist nach den Corporate-Governance-Regeln nicht vorgesehen.

Siemens, so heißt es, brauche nach den vielen Visionen des Österreichers Löscher eine Phase der Beruhigung. Und dafür sei Finanzmann Kaeser genau der Richtige. Der gebürtige Niederbayer ist seit 30 Jahren im Konzern. Er weiß, wie die Belegschaft tickt. Und er war stets einer derjenigen, die Löschers Kurs deutlich kritisierten. Als er im April unsere Zeitung besuchte, sagte Kaeser: "Zum Teil sind wir etwas überhastet in neue Marktanwendungen eingestiegen. Das kostet Geld." Ein deutlicher Seitenhieb auf die Strategie seines österreichischen Vorgängers, dessen Zeit nach zwei Gewinnwarnungen binnen drei Monaten ungeachtet seiner Verdienste um die Aufklärung in der Korruptions-Affäre unweigerlich abgelaufen war.

Löscher hinterlässt ein schweres Erbe. Der Ruf von Siemens als zuverlässigem Hersteller deutscher Produktqualitiät ist ramponiert. Der Anschluss von Windparks hat sich ebenso verzögert wie die Auslieferung von ICE-Zügen an die Deutsche Bahn. Das Wüstenstrom-Programm Desertec verschlingt viel Geld.

Auf einen Nenner gebracht heißt das, es gibt Aufräumarbeiten zu erledigen in den Feldern Energie und Industrie. Die Konjunktur ist teilweise flau, das Wachstumstempo in den Schwellenländern sinkt. Schwierige Zeiten für Siemens und für Kaeser, der vor 56 Jahren als Josef Käser geboren wurde und seinen Namen nach seinem USA-Aufenthalt die englische Färbung gab.

Die einfache Weisheit hinter Kaesers Kritik an Löscher: Wo Siemens unnötig Kosten verursacht, geht das zu Lasten der Rendite. Die ist im Siemens-Konzern im Vergleich zu Wettbewerbern wie General Electric zu schwach, und das kann auf Dauer auch Investoren vergrätzen. Der Aktienkurs ging nach den jüngsten Hiobsbotschaften Löschers zurück und stieg erst wieder, als sich die Spekulationen um eine baldige Ablösung verdichteten.

Da schien der Manager aus dem Nachbarland bar aller realistischen Einschätzung seiner Lage noch an eine Zukunft bei Siemens zu glauben. "Mir bläst jetzt der Wind ins Gesicht, aber es war noch nie meine Art, aufzugeben oder schnell die Segel zu streichen", hatte Löscher der "Süddeutschen Zeitung" gesagt. Und: "Ich habe einen Vertrag bis 2017, und gerade jetzt ist der Kapitän bei Siemens mehr gefragt denn je."

(RP)
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