IW-Studie In Deutschland wird am Bedarf vorbei gebaut

Düsseldorf · Wohnungsmangel im Metropolen, Leerstand auf dem Land – das Ergebnis einer IW-Studie. Das Wohnungsproblem verschärft sich.

Seit Jahren wird in Deutschland darüber diskutiert, dass es zu wenig bezahlbaren Wohnraum gibt. Seitdem die Kaufpreise und die Mieten in manche Regionen steil nach oben gegangen sind, wird die Debatte noch erregter, noch intensiver geführt als vorher. In Berlin ging sie schon so weit, dass einige laut über die Enteignung von Wohnungskonzernen nachdachten, auf dass der Hauptstadt neuer sozialer Sprengstoff erspart bleibe.

Vor dem Hintergrund lösen die Ergebnisse einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) neuen Gesprächsbedarf aus. Danach werden vor allem in den Metropolen immer noch viel zu wenig Wohnungen gebaut, während auf dem Land teilweise mehr Häuser  entstehen, als die Menschen tatsächlich brauchen.

Die Konsequenz: In den Großstädten wird sich die Lage womöglich weiter verschärfen, was die Preise noch weiter nach oben treiben würde; dagegen herrscht auf dem Land teilweise gähnender Leerstand, weil weit über den Bedarf hinaus gebaut wird.  Denn den arbeitenden Teil der Bevölkerung zieht es immer stärker in die Städte. Das liegt vor allem daran, dass Pendeln nicht immer attraktiv ist – ob nun aus finanziellen Erwägungen heraus oder aus anderen Gründen. Das Einzige, was derzeit den Druck nehmen könnte: Der Zuzug durch Flüchtlinge dürfte in den kommenden Jahren nachlassen, wenn die Prognosen stimmen.

Augenfälligstes Beispiel dafür, wie sehr teilweise an der prognostizierten Realität vorbei geplant wird: Im bayerischen Landkreis Rhön-Grabfeld wurden in den vergangenen drei Jahren viermal so viele Wohnungen gebaut, wie  nötig gewesen wären. Aber auch in der Region ist das Phänomen zu beobachten: In der bergischen Mittelstadt  Remscheid wurde fast doppelt so viel gebaut wie nach den IW-Kriterien notwendig, im Kreis Heinsberg lag die Quote bei 102, im Kreis Borken bei 107 Prozent. Griffiges Gegenbeispiel auf Bundesebene ist Leipzig, wo nicht einmal die Hälfte der nötigen Wohnungen entstanden ist. Und in der Region kommen beispielsweise die Millionenstadt Köln, die Kreise Mettmann und Viersen sowie die Städte Krefeld und Leverkusen auf deutlich zu niedrige Quoten.

Ihrer Analyse, wie viele Wohnungen neu gebaut werden müssten, haben die Studienautoren vor allem die prognostizierte demografische Entwicklung, den derzeitigen Leerstand und den altersabhängigen Wohnungskonsum  zugrunde gelegt. Letzteres bedeutet unter anderem: Die Pro-Kopf-Wohnfläche nimmt zu, weil die Zahl der Single-Haushalte wächst und Alleinlebende im Schnitt mehr Platz brauchen als einzelne Mitglieder von Familien. Und die Zahl dieser Haushalte steigt, weil einerseits jüngere Menschen ihre Karriere forcieren, eine Partnerschaft und Kinder zunächst eine untergeordnete Rolle spielen, und andererseits  die Menschen immer älter werden Das führt dazu, dass in vielen Fällen nach dem Tod eines Ehepartners der oder die andere in eine Wohnung zieht, weil ihm oder ihr das eigene Haus mit großem Garten allein einfach zu groß geworden ist.

Also muss in den Großstädten mehr und auf dem Land weniger gebaut werden.  „Der Bau von Wohnungen ist das beste Mittel gegen steigende Mieten“, sagt Ralph Henger, einer der Studienautoren beim IW-Institut. Und er warnt: „Gelingt es nicht, in den nächsten Jahren den Bedarf zu befriedigen, wird das Problem in den folgenden Jahren noch größer werden.“

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