Ditzingen Deutschlands mächtigste Managerin

Ditzingen · Mittwochs mischte Nicola Leibinger-Kammüller noch im Aufsichtsrat von Siemens mit, hauptamtlich leitet sie den Maschinenbauer Trumpf - und gleichzeitig hört ihr auch die Kanzlerin zu. Porträt einer Vorzeige-Managerin.

Woran misst sich Macht? Mittwochs entschied Nicola Leibinger-Kammüller noch mit über den Umbau von Siemens - seit sechs Jahren sitzt sie im Aufsichtsrat des Elektrogiganten. Am 3. Dezember ist ihr Rat im Aufsichtsgremium von Lufthansa gefragt - "sie ist eines unserer angesehensten Mitglieder", sagt ein Aufsichtsratskollege. Auch bei Axel Springer und Voith sitzt die vierfache Mutter im Aufsichtsgremium. Und im Hauptberuf führt die 54-jährige seit neun Jahren die Trumpf-Gruppe, einer der erfolgreichsten Maschinenbauer Deutschlands mit 11 000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 2,6 Milliarden Euro.

"Mit ihrer Vielzahl an Aufgaben ist Frau Leibinger-Kammüller sicherlich Deutschlands einflussreichste Wirtschaftsfrau" meint denn auch Christian Strenger, früher langjähriger Chef der Fondsgesellschaft DWS. "Wenn sie im Kanzleramt anruft, hört ihr die Kanzlerin wenigstens zu", meint ein Berliner Politikberater.

"Deutschland sucht die Superfrau", schrieb die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" vor zwei Wochen. "Die Madonna aus Schwaben", kommentierte die "Berliner Zeitung" - der Bezug war die fortschrittliche Personalpolitik von Trumpf. Und als das "Manager-Magazin" kürzlich mit einem Unternehmer über die hohe Vermögenskonzentration in Deutschland sprechen wollte, redete Leibinger-Kammüller Klartext: "Es wäre gefährlich, das Vermögen der Erben rigoros zu besteuern. Dann werden jene, die die Wirtschaft antreiben, das Land verlassen."

Dabei ist die studierte Philologin mit CDU-Parteibuch auch eine der verantwortungsbewustesten Managerinnen des Landes.

Als Trumpf mit allen anderen Maschinenbauern vor sechs Jahren in die Krise rutschte, musste kein Arbeitnehmer gehen - aber die Familie spendierte eine Kapitalspitze von 75 Millionen Euro. Die Geschäftsführer verzichteten auf zehn Prozent ihres Gehalts.

Damit Familie und Job besser vereinbar werden und um Talente anzulocken, können die Mitarbeiter in Deutschland seit 2012 alle zwei Jahre ihre Arbeitszeit flexibel wählen - die Chefin war regelrecht enttäuscht, als anfangs nur 500 Mitarbeiter für eine kürzere Arbeitszeit votierten und nur 50 einmal eine Auszeit ("Sabbatical") nahmen. "Die Leute trauen sich noch nicht", erklärte sie und sorgt nun persönlich dafür, dass Heimkehrer nach einer längeren Auszeit willkommen sind.

Progressiv-soziale Firmenpolitik und konservativ-liberale Weltanschauung widersprechen sich dabei nicht. Gegen die von der großen Koalition geforderte Frauenquote kämpft sie vehement - "Wer will schon Quotilde sein", spottet die pietistisch erzogene Schwäbin und hält auch wenig von angeblichen Männerseilschaften als Hauptgrund für männliche Dominanz im Job. "Männer können scheitern, Frauen können scheitern, und am schlimmsten ist es, wenn Frauen wie Männer werden und deshalb scheitern."

Wenig hält sie auch von weiteren Belastungen der Wirtschaft durch die Bundesregierung. "Wir brauchen mehr Freiheit statt mehr Regulierung aus Berlin", sagt sie. Und kritisiert die Banken bei Gelegenheit auch scharf. "Mädle halte Dich von Banken fern", habe ihr Vater Berthold bereits vor vielen Jahren geraten, sagte sie als prominente Rednerin auf dem Bankentag.

Die große Frage bei aller Liebe zu klaren Aussagen und zur Übernahme von Verantwortung ist dabei, wie Frau Leibinger-Kammüller ihre Zeit managt. Ein Erfolgszept ist Delegieren: Ihr jüngerer Bruder Peter und Ehemann Mathias sitzen ebenfalls in der fünfköpfigen Geschäftsführung - die Chefin muss sich nicht um jedes Detail kümmern.

Gleichzeitig setzt sie auf Konzentration. Seit der Geburt des jüngsten Kindes vor 17 Jahren schaut sie fast kein TV mehr - Zeitverschwendung. Das Familienleben ist straff organisiert. Tagsüber reicht ihr ein Gedicht zum Entspannen "Das dauert nur fünf Minuten." Doch immer wieder nimmt sie sich Zeit für ihr Lieblingsbuch: Thomas Manns Buddenbrooks hat sie mehr als 20-mal gelesen - da geht es um den Abstieg eines Familienunternehmens. Das wird Trumpf wohl unter ihrer Führung nicht passieren.

(RP)
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