NBA--Kult-Profi beendet Karriere Scalabrine — die Geschichte der "White Mamba"

Düsseldorf · Brian Scalabrine hat seine Karriere beendet. Der Power Forward, der zuletzt bei den Chicago Bulls unter Vertrag stand, ist unathletisch, langsam und hat eigentlich nie gespielt – und dennoch lieben ihn die Fans in den USA. Die Geschichte eines selbstlosen Rotschopfes, den jeder Trainer gerne in der Mannschaft hätte.

 Immer vollen Einsatz für die Mannschaft: Brian Scalabrine im Trikot der Boston Celtics.

Immer vollen Einsatz für die Mannschaft: Brian Scalabrine im Trikot der Boston Celtics.

Foto: AP

Brian Scalabrine hat seine Karriere beendet. Der Power Forward, der zuletzt bei den Chicago Bulls unter Vertrag stand, ist unathletisch, langsam und hat eigentlich nie gespielt — und dennoch lieben ihn die Fans in den USA. Die Geschichte eines selbstlosen Rotschopfes, den jeder Trainer gerne in der Mannschaft hätte.

Die Massen im United Center in Chicago erheben sich, die Lautstärke wird zu einer Bedrohung für die Ohren. Einige Fans rennen mit Riesen-Plakaten durch die Sitzreihen. Darauf gedruck ist nicht etwa das Konterfei der Superstars Derrick Rose oder Carlos Boozer, sondern das Gesicht von Brian Scalabrine. Dabei hat der 2,06 Meter große Rotschopf noch keinen Punkt erzielt, geschweige denn eine Sekunde lang gespielt, sondern betritt gegen Ende der Partie erst den Platz. Ein Sturm der Begeisterung geht durch die Halle, nur, warum?

Langsam, unathletisch, übergewichtig

Scalabrine gehört wohl zu den schlechtesten NBA-Profis, die es jemals gegeben hat. In elf Jahren kam der Power Forward nur auf 520 Spiele. Allerdings spielte der 34-Jährige selten — eigentlich nie — von Beginn an und wurde immer nur eingewechselt, wenn die Partie schon entschieden war. 13 Minuten stand Scalabrine in den elf Jahren im Schnitt auf dem Court, in den letzten beiden Spielzeiten kam er nur noch auf 4,9 und 4,4 Minuten pro Spiel. Scalabrine ist unathletisch, langsam und sammelte — böse formuliert — mehr Fouls als Rebounds. 3,1 Punkte und zwei Rebounds erzielte er in seiner Karriere durchschnittlich pro Spiel.

Der Grund, wieso Scalabrine eine Karriere in der NBA absolvieren konnte und mehr als 20 Millionen Dollar verdiente: Der Mann hat ein unglaubliches Entertainment-Talent und gab auch als Zwölfter Mann immer alles für die Mannschaft. Doc Rivers, Trainer der Boston Celtics, bei denen Scalabrine von 2005 bis 2010 unter Vertrag stand, sagte einst über den Musterprofi: "Er ist der selbstloseste Spieler, den ich je trainiert habe. Ich hätte ihn eigentlich gerne weiter um mich." Doch der Weg Scalabrines führte ihn nach der Saison 2010 zu den Chicago Bulls. Die Fans in Boston werden ihn nie vergessen.

Meister ohne Einsatzzeit

Auch, weil er mit den Celtics 2008 die erste Meisterschaft seit 1986 holte. Dabei kam Scalabrine in den kompletten Play-offs nicht zum Einsatz, trug aber dennoch seinen Teil zum Titelgewinn bei — als Antreiber und Motivator auf der Ersatzbank. Nach wichtigen Punkten packte Scalabrine den Breakdance aus, der bei einem weißen, rothaarigen, unbeweglichen Athleten urkomisch aussieht. Scalabrine brüllte, klatschte ab, machte seine Mitspieler immer wieder heiß. Dadurch erarbeitete er sich Kultstatus bei den Fans, die sein unglaubliches Teamplay in der Halle hautnah miterleben konnten. Und: Die Anhänger der Celtics identifizierten sich sehr mit der Figur Scalabrine, diesem übergewichtigen Weißen mit den roten Haaren, der viele Menschen in Boston an ihre irischen Wurzeln erinnerte. "White Mamba" tauften ihn die Fans in Anlehnung an Superstar Kobe Bryant, dessen Spitzname "Black Mamba" lautet.

Scalabrine, der um seine Haare stets ein weißes Stirnband trug, nahm seine Rolle als letzter Mann im Team an und war selbst in der Meistersaison mit den Celtics nie böse auf den Trainer. "Vielleicht sagt ihr jetzt, dass ich keine Sekunde gespielt habe, aber in fünf Jahren habt ihr das vergessen. In zehn Jahren bin ich allerdings noch immer ein Champion. In zwanzig Jahren werde ich meinen Kindern erzählen, dass ich von Beginn an gespielt habe. Und in dreißig Jahren werde ich ihnen sagen, dass ich den MVP-Award geholt habe. Ich bin also nicht wirklich traurig, dass ich die ganze Zeit an der Seitenlinie saß", erklärte er auf einer Pressekonferent nach der Finalserie gegen die Los Angeles Lakers.

In die Hall of Fame wird es Scalabrine sicher nicht schaffen, er wird nicht einmal den Vorplatz zu dieser ruhmreichen Halle kennenlernen — und dennoch bleibt er im Gedächtnis. Scalabrines Heldengeschichte begann 2001 bei den New Jersey Nets, wurde bei den Celtics Kult und fand nun in Chicago sein Ende. Ganz loslassen vom Basketball kann und will er nicht — Scalabrine kehrt als Mitglied des Trainerstabes nach Boston zurück. Seine Fähigkeiten abseits des Basketballs sind für jede Mannschaft ein Trumpf. Scalabrine verlässt die große NBA-Bühne, die er spotrlich gesehen nie so wirklich betreten hat. In Sachen Menschlichkeit und Professionalität gehörte er aber zu den Größten.

(seeg)
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