MSV Duisburg Der MSV sucht noch die Balance

Duisburg · Der Drittligist greift beim 3:3 gegen Saarbrücken zwar gemeinsam an, das gemeinsame Verteidigen klappt aber nicht.

Michael Ratajczak wollte nach diesem Spiel nichts sagen. Das ist durchaus bemerkenswert, denn der Torwart ist der Erste, der eigene Fehler offen zugibt. Sein Schweigen nach dem 3:3 im Drittligaspiel gegen das Kellerkind 1. FC Saarbrücken lässt also nur einen Schluss zu: "Rata" war dermaßen wütend auf seine Mitspieler, dass er lieber nichts sagte, als etwas Falsches zu sagen. Das erklärt auch, warum der Torwart schon geduscht war, bevor etliche seiner Kollegen es überhaupt in die Kabine geschafft hatten. Ratajczak wollte niemanden mehr sehen und lieber schweigen.

Die Wut des Torhüters ist verständlich. Immerhin hatte er in Halbzeit eins dreimal überragend gehalten, so dass es mit einer 2:0-Führung in die Pause ging. Doch nach dem Seitenwechsel kassierte Ratajczak noch drei Tore, weil seine Vorderleute fortan das Verteidigen einstellten. Und zwar als Mannschaft. Der offensive Teil des Mittelfeldes — Sascha Dum, Pierre De Wit, Kevin Wolze und Michael Gardawski — arbeitete überhaupt nicht mehr defensiv. So ließen sie ihre Abwehr im Stich, denn die Räume wurden bei so viel Passivität von gleich vier Duisburgern auf einmal so riesig, dass Kapitän Branimir Bajic als "Sechser" vor der Abwehr und seine Hinterleute gar nicht mehr in Zweikämpfe kommen konnten. Saarbrückens Trainer Milan Sasic sagte bei seiner Rückkehr zu seinem Ex-Klub passend dazu diese schönen Worte: "Eine Abwehr ist immer nur so stark, wie die anderen Spieler es schaffen, sie zu entlasten."

So fielen die Gegentore zwei und drei, weil die Saarbrücker Schützen unbehelligt laufen und abziehen konnten. Das sah auch MSV-Trainer Karsten Baumann als Knackpunkt: "Die entscheidende Frage ist, warum die Spieler so frei sind, dass sie schießen konnten." Sportdirektor Ivica Grlic ergänzte: "Es ist für Mittelfeldspieler immer schön, wenn keiner Druck auf sie ausübt."

Das hatte in Hälfte eins noch ein wenig besser geklappt, auch wenn Saarbrücken da bereits einige Male gefährlich die Schnittstellen in der Abwehr gefunden hatte. Doch der Angriffswirbel mit den beiden Toren durch Kingsley Onuegbu überdeckte diese Baustelle noch. Baumanns Umstellung auf nur einen "Sechser" und eine offensive Vierer-Mittefeld-Reihe, in der die Spieler stetig die Positionen wechseln, funktionierte nach vorne gut. "Das hat das gewünschte Ergebnis gebracht: mehr Torgefahr", sagte der Trainer. Im Interview mit unserer Zeitung hatte Baumann in der vergangenen Woche bemängelt, dass es zu selten gelänge, mehrere Spieler in den Strafraum zu bekommen. Das sah nun besser aus, das gemeinsame Angreifen klappte. Was nicht funktionierte, war das gemeinsame Verteidigen. Da muss der MSV die Balance finden.

Denn das nicht-kollektiv Verteidigen wurde nach der Pause bestraft. "In der Kabine haben sich die Spieler noch angefeuert und gesagt: ,Das Spiel ist noch nicht durch'", erinnerte sich Baumann. "Und dann wird die gesamte Mannschaftsleistung schlecht. Alle waren zu passiv. Das ist unerklärlich", sagte Baumann. Das sahen die Spieler ähnlich. "Wir wollten nach der Halbzeit genau so weitermachen — und dann klingelt es nach ein paar Minuten schon bei uns. Das kann eigentlich gar nicht sein", sagte Dum, der im 2:2 einen "Sonntagsschuss am Samstagmittag" gesehen hatte.

Matthias Kühne fand: "Man muss kein Philosoph sein, um zu wissen, dass man kurz nach der Pause kein Gegentor kassieren darf." Wolze ergänzte: "Nach der Pause geht keiner mehr in den Zweikampf, jeder ist sich zu sicher. Wenn du zu Hause drei Tore schießt, darf das eigentlich nicht in die Hose gehen."

Dabei hatte Wolze noch das 3:2 erzielt, das zu Saarbrücker Protesten führte, weil bei ihnen Francois Marque im Strafraum nach einem (fairen) Zweikampf mit Onuegbu liegengeblieben war. Dass Saarbrücker Spieler am Boden lagen und weiterspielen konnten, nachdem der MSV den Ball ins Aus geschossen hatte, kam in Hälfte zwei häufiger vor. Die faire Geste von Wolze in zehn Metern Torentfernung zu verlangen, war dann doch ein wenig albern, zumal Marque problemlos weiterspielen konnte. Wolze: "Ich sehe vielleicht aus dem Augenwinkel, dass da was ist, aber der Spieler, der da den Ball ins Aus spielt — Hut ab."

Um diese Szene ging es ja dank der eigenen Passivität auch später nicht mehr, denn den MSV gestattete Saarbrücken den erneuten Ausgleich. Verteidiger Kühne meinte: "Die zweite Halbzeit kann uns nicht zufriedenstellen. Das ist nicht unser Anspruch. Wir wollten mehr kreieren, und das hat ja auch gut geklappt, aber dann müssen wir einfach souveräner sein. Generell fand Kühne: "Unsere Ansprüche sind nicht dritte Liga, aber wir bringen das zurzeit nicht auf den Platz. Das kotzt uns — auf deutsch gesagt — alle an, gerade dieses 3:3 heute. Wir müssen weiter arbeiten." Und zwar gemeinsam — offensiv wie defensiv.

(RP)
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