Bundesliga "Kölle alaaf, Heimstärke alaaf"

Köln · Selbstironie gehört zum neuen Image des 1. FC Köln. Zu Hause punktet er kaum, am Samstag tritt der Bundesligist als Außenseiter in Mönchengladbach an. Und dann geht es wieder in den Karneval.

Kölns Trainer Peter Stöger im Karneval.

Kölns Trainer Peter Stöger im Karneval.

Foto: dpa, ve hak

Dirk Lottner (42) war zu früh dran. Er war "zehn oder 15 Jahre zu früh beim 1. FC Köln", klagt der für seine feinen Freistöße und seine Lauffaulheit berühmt-berüchtigte frühere Fußballprofi achselzuckend. Karneval hat der FC zwar schon zu "Lottes" Zeit gefeiert, aber nicht so unverkrampft wie heute. "Wir sind zur Sitzung gegangen, haben Wasser und ein bisschen Wein getrunken und mussten dann wieder nach Hause", sagt Lottner im Rückblick auf die Jahre 1999 bis 2004, als er als Mittelfeldspieler Liebling der Fans war. Den "kölschen Jung" aus dem Arbeiterviertel Zollstock, den als bodenständig zu beschreiben, grob untertrieben wäre, stellte dieser halb gare "Fasteleer" nicht zufrieden.

Seit neben Werner Spinner und Ex-Nationaltorwart Toni Schumacher auch Markus Ritterbach, der Chef des Festkomitees Kölner Karneval, zum Präsidium des Bundesligisten gehört, bilden Fußball und Karneval eine Einheit. Zur FC-Sitzung Anfang der Woche kamen Spieler, Trainer und Funktionäre hübsch verkleidet, und alle tranken Kölsch. Trainer Peter Stöger zelebrierte gar Selbstironie. "Kölle Alaaf, Heimstärke Alaaf", rief der Coach des in Müngersdorf zuletzt meist enttäuschenden Mannschaft in den Saal. Übermorgen fahren Profis und Trainer im Rosenmontagszug mit. "Davon habe ich immer geträumt", sagt Lottner. Zu seiner Zeit sei das undenkbar gewesen.

Aus dem selbstironischen Fangesang "Wir sind nur ein Karnevalsverein" ist Realität geworden. Zumindest "Wir sind auch ein Karnevalsverein" können die Anhänger singen, seit ihr FC förderndes Mitglied des Festkomitees ist. "Wir wollen erstmals in der Geschichte des FC einen entscheidenden Schritt auf den Karneval zugehen, uns mit ihm vernetzen und aktiv fördern", heißt es in einem Brief des FC-Präsidiums ans Festkomitee. Prinz Holger I. dazu: "Für mich ist das ein Zeichen, dass unser FC im Vorstand gut aufgestellt ist und endlich Ruhe herrscht. Viele Jahre konnte man vermuten, dass es sich um einen Karnevalsverein handelt. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um sich zum Karneval zu bekennen."

Seit zwei Jahren geht der Fußballverein das Thema Karneval offensiv an - zur Imagepflege und aus Gründen der Vermarktung. Vor dem Elften im Elften 2013 liefen die Profis erstmals in entsprechend der Jahreszeit gestalteten Trikots auf. Auch in diesen tollen Tagen tragen sie Karnevalstrikots. Torwart Timo Horn lief zuletzt gegen Paderborn in Grün und Gelb auf. Seine Ausstattung korrespondiert mit der Funken-Uniform, die Trainer Stöger mit Begeisterung trägt. Der Fanshop bietet eine Karnevalskappe im FC-Design an, ein "aufwendig gearbeitetes Krätzchen mit silbernen Stickereien", und den Karnevalsorden des Vereins für je 29,95 Euro.

Der Orden hat Tradition. Den ersten gab es 1950. Ein Jahr zuvor hatte der Fußballverein im Bau des Zirkus Williams seine erste "große karnevalistische Sitzung mit Damen" veranstaltet, an der "mehrere Kapellen sowie alle namhaften Kölner Karnevalisten teilnahmen", wie in der Vereinschronik nachzulesen ist. Wirkung bis heute hat die zweite Sitzung. Das Zirkusdirektorenpaar Carola und Harry Williams übergab FC-Präsident Franz Kremer und Trainer Hennes Weisweiler bei der Gelegenheit einen lebenden Geißbock als Maskottchen. Dessen (freilich nicht leibliche) Nachfahre Hennes VIII. leistet heute treue Dienste.

Der FC neigt ohnehin zum Ganzjahres-Fastelovend. Die Vereinshymne "Mir stonn ze dir" kommt von den "Höhnern", und es gibt keine erfolgreiche kölsche Band, die in ihren Liedern nicht wenigstens einmal Bezug auf den Fußballverein genommen hätte. Problematisch geriet die Kombination aus FC und Karneval vor drei Jahren, als für den stark angetrunkenen Abwehrspieler Miso Brecko die Heimfahrt von der FC-Sitzung im Gleisbett der Straßenbahn endete.

Schon vor Sessionsbeginn gab es 2007 Irritationen. Allerdings bei Borussia Mönchengladbach. Die Profis Steve Gohouri und Soumaila Coulibaly trieben sich zwei Nächte vor dem rheinischen Derby in einer Kölner Disco herum. Dirk Lottner, damals Jugendtrainer beim FC, traf sie und ließ sich gemeinsam mit ihnen von einem Reporter fotografieren. Lottner grinste ins Objektiv. "Ich wusste, dass ich mit diesem Bild zwei Gladbacher Profis auf einmal ausgeschaltet hatte", sagt er. Gladbachs Trainer Jos Luhukay strich die beiden tatsächlich aus dem Kader. Das Spiel endete 2:2 - für die Kölner ein Erfolg.

Das Derby heute lässt Lottner aus. Stattdessen geht er mit seiner Familie zum Karnevalszug in einem Kölner Vorort. Der Mann setzt klare Prioritäten.

(RP)
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