London Die größten Paralympics aller Zeiten

London · Sie hatten sich weit aus dem Fenster gelehnt, die Briten, kurz bevor die Paralympischen Spiele eröffnet wurden. Das größte Sportereignis für Menschen mit Behinderung wollten sie ausrichten. Dass sie den Teilnehmerrekord knacken würden, das stand schon fest, als sie die Aussagen tätigten. 4280 Athleten waren am Start, so viele wie noch nie seit 1960, als in Rom die ersten Paralympics ausgetragen wurden. Allerdings gibt es eine Größe, die selbst der beste Veranstalter im Vorfeld nie einzuschätzen weiß: Wie viele Zuschauer kommen? Mittlerweile ist die Antwort da: Es waren gigantisch viele. 2,7 Millionen Tickets sollten verkauft werden. Nun gehen diese Paralympics als die Spiele in die Sportgeschichte ein, die zum ersten Mal ausverkauft waren. Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) jubelt: "Die Erwartungen sind sogar übertroffen worden. Hier hat einfach alles gepasst. Die Londoner haben uns auf dem gesamten Weg das Gefühl gegeben, dass die Paralympics das zweite Olympia waren."

Nicht nur die Zahlen sind beeindruckend. In jedem Waggon der zahlreichen U-Bahnen, Railways, Züge und Straßenbahnen hängen Plakate, die auf die Paralympics hinweisen. Jeder Zweite im Zug hat die Spiele schon besucht, so scheint es. Zumindest hat er ein Andenken dabei. Meist sind es Pins zum Anstecken, viele haben T-Shirts mit der Aufschrift "Team GB". Erstaunlich viele Leute tragen lila-orangefarbene Hemden, die sie als Mitarbeiter der Paralympics ausweisen. Was besonders auffällig ist, ist die Hilfsbereitschaft. Vor allem, wenn sich der gewöhnliche Tourist mit den Tücken des Bahnnetzes herumschlägt: Je hilfloser er wirkt, desto mehr kommen zu Hilfe.

Auch die mediale Präsenz ist gewaltig. Der Brite Mickey Bushells, der Gold bei den Rollstuhlsprintern gewonnen hatte, zierte als "Mighty Mickey" die Titelseiten der hiesigen Zeitungen. Und ein TV-Sender berichtet quasi rund um die Uhr von den Paralympics, vom Frühstücksfernsehen bis hin zum Late Night Talk. Auch in Deutschland zeigen ARD und ZDF so viel wie nie zuvor. Zwar senden sie keine rund 400 Stunden von den Paralympics, aber die etwa 70 Stunden sind deutscher Rekord. Im Schnitt sehen in der ARD 0,92 Millionen Menschen zu (Marktanteil: 8,7 Prozent), das ZDF kommt auf einen Schnitt von 690 000 Zuschauern (8,8 Prozent).

Die Begeisterung rund um die Spiele spiegelte sich bei den Wettkämpfen und im Olympischen Park. Die Sportstätten waren voll, die Zuschauer gingen mit. "Das sind jetzt meine vierten Paralympics, und klar hat man vorher immer so seine Vorurteile gegenüber den Briten gehabt. Aber so ein faires Publikum wie hier habe ich noch nie erlebt", sagt der deutsche Gewichtheber Mario Hochberg, der aber auch kritisiert: "Der Olympische Gedanke zählt schon lange nicht mehr bei der Nominierung, sondern nur noch, wer die besten Ausichten auf eine Medaille hat."

Die Zuschauer honorierten Hochleistungssport mit allen Facetten. "ARD und ZDF haben uns jetzt die Möglichkeit gegeben, für unseren Sport zu werben. Jetzt aber sind wir am Zug. Wir müssen jetzt diejenigen sein, die durch gute Leistungen für Nachhaltigkeit sorgen", sagt Rollstuhltrainer Christoph Müller.

(RP)
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