Turnerbund will Parkour bei Olympia Fangt uns, wenn ihr könnt

Düsseldorf · Geht es nach dem Turn-Weltverband, wird die Sportart Parkour bald olympisch. Die Szene aber ist dagegen.

 Parkour als Trendsportart: Hier im japanischen Hiroshima.

Parkour als Trendsportart: Hier im japanischen Hiroshima.

Foto: imago/AFLOSPORT/Kenjiro Matsuo

Philipp Raasch (33) liebt seinen Sport. Er liebt die Werte, die er durch ihn vermitteln kann. Als Parkourläufer begibt er sich immer wieder in Grenzbereiche, wenn er Sprünge aus großer Höhe macht oder ungesichert an Wänden klettert. Raasch hat Gruppen in Köln und Düsseldorf, hat Workshops in Ägypten und Marokko geleitet. Selbst im Gazastreifen hatte er ein Projekt. Er nimmt Menschen mit in eine Sportwelt, die ohne Hallen und spezielle Geräte auskommt. Das Gelände ist die Spielwiese. Parkour ist Interaktion, das Erschließen von Städten und Erfahren der Umwelt. Jede Treppe, jeder Bürgersteig wird zum Hindernis. Und es steckt mehr als Spaß dahinter: „Parkour fördert die Persönlichkeitsentwicklung und ist Wertevermittlung“, sagt Raasch, vor allem im Hinblick auf die permanente Selbstüberwindung. Nun aber sieht er die hehren Ziele, die DNA des Parkours bedroht. Denn der Internationale Turnerbund (Fédération Internationale de Gymnastique, kurz: FIG) will sich den Sport einverleiben.

Raasch ist Teil der Organisation „ParkourONE“. Die knapp 80 Mitglieder leiten Trainingsgruppen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ihr erklärtes Ziel ist es, „die Lebensqualität der Menschen durch Parkour zu steigern“. So diene Parkour als Basis für die individuelle persönliche Entwicklung von Körper und Geist. Für Raasch passen all diese Werte aber keineswegs mit Leistungssport, Erfolgsdruck oder Wettbewerb zusammen. Und wie er sieht es der Großteil der Parkourszene weltweit. Darum begehrt die Szene gegen Pläne der FIG auf, den Trendsport sobald wie möglich ins olympische Programm aufzunehmen.

Im Februar erst bekräftigte der Internationale Turnerbund sein Bestreben, Parkour als „neue Sportart“ im Breitensport etablieren zu wollen. Für die Szene ist das ein „unberechtigter Eingriff in unsere Bewegungskunst und die Veruntreuung von Parkour“, heißt es in einem offenen Brief, den diverse Organisationen gemeinsam verfasst haben. Das Schreiben haben sie an das Büro des FIG-Präsidenten Morinari Watanabe in Lausanne adressiert. Und sie verweigern sich darin der Einverleibung durch den Weltverband. Der Hashtag „#WeAreNotGymnastics“ („Wir sind nicht Turnen“) hat sich etabliert. Doch der Weltverband lässt sich offensichtlich nicht beirren.

Eine neue Parkour-Kommission des FIG kam Ende 2017 zusammen. Ihr erster Vorsitzender: David Belle. Ausgerechnet der Franzose, könnte man sagen. Belle ist im Hauptberuf Schauspieler, gilt aber als Mitbegründer der Parkourszene. Er führte die Trainingsgruppe „Yamakasi“ an, die sich 1997 formierte und als eine der ersten weltweit Bekanntheit erlangte. Doch es gab Streit. Die Gruppe trennte sich aufgrund von Differenzen bezüglich der Ausrichtung von Parkour. 2014 dann hat Belle erstmals mit dem Internationalen Olympischen Komitee zusammen versucht, die Sportart olympisch zu machen. Er scheiterte. Die Geschichte wiederholt sich.

Belle sitzt wegen Differenzen nicht mehr in der Kommission, es gibt im Weltverband aber mittlerweile eine Vollzeitstelle für einen Parkour Sports Manager, ein Logo und einen Wettkampfkalender. Die Wettkämpfe sind meist als Hindernisläufe auf Zeit konzipiert. Ein Spektakel für Zuschauer.

Der Deutsche Turner-Bund (DTB) folgt den internationalen Entwicklungen. Er ist aber auch um Austausch bemüht. „Die Parkourszene ist gespalten“, sagt Pia Pauly, Abteilungsleiterin Sport beim DTB. „Viele sagen, Wettkampf sei nicht die Philosophie des Sports. Andere reizt der Gedanke, die Sportart populärer zu machen.“ Pauly weiß das, weil sie sich im Frühjahr mit Vertretern diverser Organisationen in Frankfurt getroffen und ausgetauscht hat. Es ging um die Ausbildung von Trainern und die Professionalisierung der Lehre. „Wir können und wollen das nicht alleine stemmen, sondern mit der Szene kooperieren. Das sind die Experten“, sagt Pauly.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich das IOC bemüht, das eigene Image mit einem Trendsport aufzufrischen. Zuletzt wurden BMX-Freestyle und Skateboarden ins Olympiaprogramm aufgenommen. Pauly glaubt, dass das mit dem Parkour auch zeitnah passieren kann, wenn die FIG ihre Bemühungen verstärkt. „2024 in Paris könnte Parkour schon olympisch sein“, so Pauly. Viele Traceure, wie sich Parkourläufer nennen, hoffen derweil, dass es nicht so kommt. Raasch ist einer davon. In seinen Trainingsgruppen in Düsseldorf und weltweit wird er weiter für seine Idee des Sports werben.

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