Brüssel/Düsseldorf Zahl der Brüsseler Terroropfer steigt

Brüssel/Düsseldorf · Durch belgisches Behördenwirrwarr werden erst jetzt vier weitere Terrortote bekannt. Ein Hauptverdächtiger kommt überraschend wieder frei. Auch die Terrorspur nach Düsseldorf verläuft im Sand.

Eine Woche nach der Terrorserie von Brüssel hat sich die Zahl der Todesopfer auf 35 erhöht. Vier weitere Personen erlagen in den vergangenen Tagen in Krankenhäusern ihren Verletzungen. Dass dies erst jetzt bekannt gegeben wurde, erklärte die Brüsseler Staatsanwaltschaft mit unterschiedlichen Zuständigkeiten der Behörden. Der Krisenstab sprach von Verzögerungen im Informationsfluss. Bei den Attentaten am Flughafen und in einer U-Bahn hatten Selbstmordattentäter der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zudem 340 Menschen verletzt.

Die belgische Justiz erließ Haftbefehle gegen drei weitere Terrorverdächtige. Mehrere Spuren indes verliefen im Sand: Die belgischen Ermittler ließen den am Freitag unter Terrorverdacht verhafteten Fayçal C. wieder frei. Die Hinweise, die zu seiner Festnahme führten, bestätigten sich nicht. Damit dürfte der Mann nicht der gesuchte dritte Terrorverdächtige vom Brüsseler Flughafen sein. Auf Fahndungsbildern ist eine Person mit heller Jacke und einem Hut mit den beiden späteren Selbstmordattentätern zu sehen.

Auch bei zwei in Gießen und Düsseldorf festgenommenen Männern hat sich der Terrorverdacht nicht erhärtet. "Es gibt keine belastbaren Hinweise auf einen Zusammenhang mit den Brüsseler Anschlägen", sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft. Samir E., der den Fahndern in Düsseldorf ins Netz ging, sitzt weiterhin in Haft. Der 28-Jährige war wegen Bandendiebstahls und Autoaufbrüchen zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Weil man fürchtete, er könne sich ins Ausland absetzen, bevor das Urteil rechtskräftig wird, hatte ihn die Polizei am späten Donnerstagnachmittag verhaftet.

Dennoch waren Vermutungen, der in Düsseldorf geborenen Sohn einer aus Nordafrika stammenden Familie könnte Kontakte in die Terrorszene haben, nicht aus der Luft gegriffen: Im vergangenen Jahr hatten türkische Behörden Samir E. aus dem syrischen Grenzgebiet abgeschoben - zeitgleich mit einem der Brüsseler Attentäter. Das mag Zufall gewesen sein, denn weder im Handy noch im Computer des 28-Jährigen wurden Kontakte zu IS-Terroristen gefunden. Trotzdem hat der Mann, in dessen Wohnviertel im Stadtteil Bilk viele Menschen nordafrikanischer Herkunft leben, dort auch Verbindungen in die extreme Salafisten-Szene. So soll etwa Kerim Marc B. zu seinem Freundeskreis gehören, der aus der Türkei kommend verhaftet wurde. Er war bereits 2013 in Syrien gewesen, soll dort für den IS gekämpft haben und nach Behandlung einer Knieverletzung in Deutschland untergetaucht sein. Auch Sascha B. gehört zu E.'s Bekanntenkreis, ein radikaler Konvertit, der 2010 beim Versuch, nach Somalia einzureisen, gefasst wurde.

Nach den Anschlägen geraten europaweit immer mehr Verdächtige ins Visier der Ermittler. Am Sonntag nahm eine niederländische Anti-Terror-Einheit in Rotterdam einen 32-jährigen Franzosen fest. Die Maßnahme stand im Zusammenhang mit dem Anschlagsplan, den die französischen Behörden am Donnerstag mit einer Festnahme vereitelt hatten, wie Innenminister Bernard Cazeneuve mitteilte. Der Plan sei in einem "fortgeschrittenen Stadium" gewesen.

Die Randale Hunderter teils rechtsradikaler Hooligans auf dem Brüsseler Börsenplatz belastet das vom Terror erschütterte Belgien zusätzlich: Etwa 400 Hooligans hatten eine Gedenkveranstaltung für die Opfer gestört. Bürgermeister Yvan Mayeur beschwerte sich, die Polizei des Ortes Vilvoorde nördlich von Brüssel habe die Hooligans nicht aufgehalten. Über Vilvoorde war der Großteil der Unruhestifter, überwiegend aus Antwerpen, angereist.

(sg/RP)
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