Kommandeurtagung in Leipzig "Wehrpflicht für Zukunft Deutschlands unverzichtbar"

Leipzig (AP). Generalinspekteur Harald Kujat hat bei den Kommandeuren der Bundeswehr für die Verteidigung der Wehrpflicht geworben. Zur Eröffnung der 38. Kommandeurtagung der Bundeswehr in Leipzig forderte Kujat die rund 650 Generale, Admirale und Oberste am Montag auf, Forderungen aus dem politischen Raum nach Abschaffung der Wehrpflicht "als Staatsbürger in Uniform" entgegenzutreten. Sie sollten das tun mit Fakten und Argumenten und mit der Überzeugung, dass die Wehrpflicht für die Streitkräfte und damit für die sichere Zukunft Deutschlands unverzichtbar sei.

"Ich würde es sehr bedauern, wenn die Wehrpflicht zu einem Faktor parteipolitischen Kalküls würde", sagte Kujat. Er wies zugleich darauf hin, dass Wehrgerechtigkeit auch in der Vergangenheit nie zu 100 Prozent erreicht worden sei. Wenn es darum gehe, dass alle jungen Männer eines Jahrgangs einen Dienst für die Gemeinschaft leisteten, ob Wehrdienst oder Zivildienst, dann sei das nicht Wehr-, sondern Dienstgerechtigkeit.

Kujat sagte, berücksichtige man die Rekrutierung von Zeit- und Berufssoldaten, würden bis 2010 jedes Jahr deutlich mehr als 90 Prozent der in den einzelnen Jahrgängen verfügbaren und geeigneten jungen Männer zum Wehrdienst eingezogen. Wegen der sinkenden Jahrgangsstärken werde sich gegen Ende des Jahrzehnts ohnehin die Frage stellen, ob die Bundeswehr überhaupt noch ausreichend geeignete Wehrpflichtige einziehen könne.

Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Wilfried Penner, warnte vor der Gefahr einer Aushöhlung der Wehrpflicht durch zu viele Ausnahmeregelungen. Im Inforadio Berlin-Brandenburg wandte sich der SPD-Politiker dagegen, verheiratete Männer vom Grundwehrdienst freizustellen. Auch eine weitere Verkürzung des Wehrdiensts als bisher vorgesehen, lehnte er ab. Man müsse darauf achten, "dass das handwerklich Nötige tatsächlich vermittelt wird".

Armee als hochwirksames Instrument der Außenpolitik

In seiner von den Kommandeuren ohne ersichtliche Reaktionen aufgenommenen Rede schwor Kujat die Spitzenmilitärs eindringlich auf die bevorstehende umfassendste Reform in der Geschichte der Bundeswehr ein. Der Mut zu kritischem Einwand und zu Zivilcourage sei zwar mehr denn je gefragt. Doch er ende dort, "wo es gilt, einmal getroffene Entscheidungen konsequent umzusetzen und loyal zu vertreten".

Es gelte, das Gesamtsystem Streitkräfte weiterzuentwickeln zu einem schnell verfügbaren Instrument der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik, sagte Kujat. Gefordert sei ein Kontinuum von Fähigkeiten für die Verteidigung, die auf die neuen Erfordernisse ausgerichtet seien, für die Beteiligung an multinationaler Konfliktvorbeugung und Krisenbewältigung bis hin zu nationalen hoheitlichen und territorialen Aufgaben.

Kujat warb um Verständnis dafür, dass Entscheidungen über die Schließung von Bundeswehr-Standorten erst Ende März 2001 bekannt gegeben werden könnten. Er versicherte aber, dass diese Entscheidungen "sorgfältig vorbereitet und auf einer ausgewogenen, alle Aspekte umfassenden Grundlage getroffen werden".

Der Vier-Sterne-General forderte die Kommandeure auf, bei der im Januar beginnenden Aufnahme von Frauen in Kampfverbände für eine faire Behandlung zu sorgen. Mittel- und langfristig rechne er mit einem Anteil von sieben bis acht Prozent weiblichen Berufs- und Zeitsoldaten.

(RPO Archiv)
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