Ministerin zieht ihr Ressort auf links Ursula von der Leyen geht aufs Ganze

Berlin · Mithilfe externer Experten räumt die Ressortchefin in der Führung der Bundeswehr auf. Das ist eine riskante Strategie.

Die smarten Damen und Herren von McKinsey sind so etwas wie die Tatortreiniger für skandalgeschüttelte Unternehmen. Wo etwas schiefläuft, heuern Konzernchefs gerne die international erfahrenen Strategieberater an, um die Fehlerquellen verkrusteter Strukturen zu erkennen und abzustellen.

Nach Arbeitsministerin Ursula von der Leyen können die Experten fürs Komplexe voraussichtlich auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen beraten und Pfade vor allem durch den Dschungel der Rüstungsbeschaffung schlagen helfen. McKinsey hat jedenfalls die allerbesten Chancen auf einen Zuschlag — vielleicht sogar ohne Ausschreibung, wie gerade geprüft wird.

Nicht jede Belegschaft ist entzückt, wenn ihr die McKinsey-Spurensucher auf die Pelle rücken. Oft ist es der Auftakt für tiefe Umwälzungen. Davon darf nun auch das Ministerium ausgehen. Von der Leyens Entschluss, Topstrategen für die milliardenschweren Rüstungsstrukturen anzuheuern, manifestiert ihren Durchgriffswillen und beschreibt ihre Strategie in fünf Wörtern: Die Chefin geht aufs Ganze. Und sie "tickt", wie die Management-Berater denken.

Für Außenstehende ist die Rüstungssparte schwer durchschaubar. Denn auch jedem Laien ist klar, dass hochmoderne Rüstungstechnologie anders geordert wird als ein Auto. Hier geht es nicht darum, auszuwählen, probezufahren und dann einfach zu kaufen. Der Erwerb neuer Waffensysteme fängt mit der Definition von Leistungsvorgaben an ein noch nie gebautes Modell an und reicht über mehrfache Änderungen der Anforderungen und Beteiligung an Entwicklungskosten bis zum Umgang mit technischen Schwierigkeiten und Zulassungsproblemen und neuerlichen Abwandlungen und reduzierten Stückzahlen.

Begleitet wird dieser Prozess von einem Wust von Verträgen und Unterverträgen, deren Seitenzahlen leicht drei- oder gar vierstellig werden und die sich dann jeder klaren Antwort entziehen, wenn die Ministerin wissen will: Was kostet das Projekt denn nun insgesamt, und kann ich die Industrie in Regress nehmen, wenn sie schlechter und später liefert als erwartet?

Viele Verteidigungsminister vor ihr haben sich schon daran versucht, haben mal Planungsstäbe an die Seite gestellt und wieder abgeschafft, Abteilungsleiter und Staatssekretäre neu berufen oder im Amt belassen. Im Wesentlichen ließ man die Rüstungsspezialisten aber gewähren, schließlich verfügten sie auch über vielfältige Arbeitsbeziehungen zur deutschen wehrtechnische Industrie. Und die will die Politik wiederum fördern.

Von der Leyen bricht mit der Tradition. Schon Staatssekretär Rüdiger Wolf, der die Strukturen des Hauses aus jahrzehntelanger Verantwortung kannte wie kein Zweiter, erhielt von ihr am zweiten Tag die Entlassungsurkunde. Nach zwei Monaten feuerte sie nun auch den Rüstungs-Abteilungsleiter und den Rüstungs-Staatssekretär. Es war eine eiskalte Misstrauenserklärung ans eigene Ministerium, die konsequenterweise unterstrichen wurde durch die Ankündigung, externe Experten sämtliche Rüstungsprojekte durchpflügen zu lassen.

Schon Vorvorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg reagierte belustigt und entsetzt auf die Metamorphose, die Beschreibungen auf dem Weg vom Fachreferat zur Leitungsebene durchmachten. Die Ministerial-Beschöniger ließen aus Alarmmeldungen vielversprechende Fortschrittsanzeigen werden. Auch von der Leyen dürfte solche Erfahrungen inzwischen gemacht haben. Denn sie praktiziert ihr Amt wie die Kanzlerin, die sich im Übrigen als junge Umweltministerin ebenfalls mit dem Feuern ihres Staatssekretärs Respekt verschaffte. Auch Angela Merkel lässt sich gerne von den Fachreferaten direkt informieren.

So hat von der Leyen die Rüstungsentscheidungen nun auf sich zugeschnitten. Sämtliche Großvorhaben stellte sie bis zur Totalüberprüfung auf Standby. Das verschafft ihr ein paar Monate Zeit. Danach hat sie allerdings niemanden mehr zwischen sich und den Problemen. Dann geht jede Panne mit ihr nach Hause. Aber auch jeder Erfolg — Regieren mit vollem Risiko.

(may-)
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