Berlin "Rechtsstaat muss härter werden"

Berlin · Der CDU-Top-Politiker Spahn hat vor den heutigen Jamaika-Sondierungen eine stärkere Justiz gefordert. Sie soll weniger Bewährungsstrafen aussprechen und in- wie ausländische Täter härter anfassen.

CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn kritisiert, dass Gerichtsverfahren in Deutschland zu lange dauern und die Justiz sich zu sehr auf die Resozialisierung konzentriere. Die Jamaika-Partner sollten ein Bündnis des Rechtsstaats werden. "Jamaika kann ein Erfolgsmodell werden, wenn das Vertrauen in den Rechtsstaat wieder steigt", sagte Spahn im Interview mit unserer Redaktion.

Heute ist das nächste Treffen der Unterhändler aus CDU, CSU, FDP und Grünen geplant. Für die dritte Runde haben sich die möglichen Koalitionspartner erstmals die Themenbereiche Bildung-Forschung-Digitalisierung, Arbeit-Rente und innere Sicherheit vorgenommen. Spahn führt unter anderem die Finanzverhandlungen für die CDU-Seite - und bringt nun eine Justizreform ins Gespräch.

So kritisierte er etwa die Praxis der Bewährungsstrafen. "Für einen deutschen Familienvater ist eine Bewährungsstrafe eine Schmach, auf viele Täter, meist junge Männer aus Nordafrika oder dem Nahen Osten, wirkt die Bewährungsstrafe wie ein Freispruch", sagte Spahn. Das uralte Prinzip, dass die Strafe auf dem Fuße folgen und spürbar sein muss, gehöre wieder in den Vordergrund. Sicherheit im öffentlichen Raum und funktionierende rechtsstaatliche Verfahren seien friedensstiftend für jede Gesellschaft.

Um seine Position zu unterstreichen, mahnte der als Hoffnungsträger geltende Konservative an, die Taten statt die Täter in den Fokus zu nehmen. "Unser Rechtssystem überpriorisiert die Resozialisierung", sagte Spahn. Zu viele Verfahren dauerten zu lange oder würden eingestellt.

Beim Deutschen Richterbund teilt man diese Ansicht, fordert jedoch auch die Politik zum Handeln auf. Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Richterbunds, sagte unserer Redaktion: "Der Ruf nach schärferen Gesetzen allein hilft nicht. Was wir in erster Linie brauchen, ist ein durchsetzungsfähiger Rechtsstaat, der seine Gesetze effektiv vollziehen kann." Daran hapere es aber zunehmend, weil Gerichte und Staatsanwaltschaften deutlich überlastet seien. "Es ist den Bürgern nur schwer zu vermitteln, dass Strafprozesse immer länger dauern, Staatsanwaltschaften Verfahren immer öfter einstellen und dringend Tatverdächtige wegen unvertretbar langer Strafverfahren aus der Untersuchungshaft entlassen werden müssen", sagte Rebehn. Bund und Länder seien gemeinsam gefordert, jetzt gegenzusteuern und die gravierenden Personalprobleme in der Justiz rasch zu beheben. "Das Thema gehört mit Priorität auf die Agenda der aktuellen Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition", forderte er.

Im Wahlkampf hatten sich alle Parteien für eine stärkere Justiz ausgesprochen. Spahn verknüpft die Debatte auch mit dem Thema Migration. "Der Rechtsstaat muss an manchen Stellen härter agieren, an anderen effizienter", so der 37-Jährige. "Wenn wie in Berlin ein ausreisepflichtiger Mann, der längst hätte außer Landes sein müssen, einen Mord begeht, reißt das tiefe Wunden in die Gesellschaft." Eine neue Koalition müsse das Thema anpacken und bundesweit Verfahrens- und Ausreisezentren aufbauen, in denen zentral und schnell über den Verbleib eines Asylbewerbers entschieden werde, sagte Spahn.

Unterdessen wollten die Jamaika- Verhandlungsführer - Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU), Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt (beide Grüne) sowie FDP-Chef Lindner - gestern in kleinster Runde versuchen, die Blockaden in der Flüchtlings- und Klimapolitik aufzulösen, berichtete die "Bild am Sonntag". Das Treffen war in vertraulicher Runde geplant.

(brö/jd/qua)
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