Michelle Obama kämpft für ihren Mann

Die amerikanische First Lady ist bei ihren Landsleuten deutlich populärer als der Präsident. Als umjubelter Stargast auf dem Parteitag der Demokraten stellte sie Obama als Kandidaten dar, der die Sorgen der Amerikaner im Gegensatz zu Herausforderer Mitt Romney ernst nehme.

Charlotte "Ach, die Frau ist einfach echt." Nachdem die Show gelaufen ist, die First Lady sich dreimal verneigt und zu Hollywood-Hymnen die Bühne verlassen hat, nachdem eine junge Entwicklungshelferin das Schlussgebet des Abends gesprochen hat, nach alledem zieht Bonnie Porta in fünf druckreifen Sätzen ein erstes Fazit. Das Schlüsselwort ist "echt".

"Mit den Obamas kannst du dich identifizieren", fügt die Englischlehrerin aus Maine hinzu, "besser als mit diesem Burschen mit den Schweizer Bankkonten". Gemeint ist natürlich der republikanische Präsidentschaftsbewerber Mitt Romney, der sein Geld nach den launigen Worten Ted Stricklands, des Ex-Gouverneurs von Ohio, in den Schweizer Alpen überwintern und an den Karibikstränden der Cayman-Inseln übersommern lässt.

Michelle Obama nennt ihn nicht ein einziges Mal beim Namen in ihrer knapp halbstündigen Rede. Dabei dreht sich auch bei ihr alles um den Kontrast zu Romney und den schätzungsweise 250 Millionen Dollar, die er von diskreten Vermögensverwaltern vermehren lässt. Ihr Mann kenne das Leben einfacher Menschen, schon deshalb, weil er selbst aus einfachen Verhältnissen stamme, sagt die Tochter eines Gaswerkarbeiters über den Sohn einer alleinerziehenden Mutter. Dann skizziert sie typische Weichenstellungen des einstigen Sozialarbeiters Obama, der lukrative Angebote großer Anwaltskanzleien ausschlug, um sich in den Armenvierteln Chicagos um Benachteiligte zu kümmern.

So einer sei das genaue Gegenteil eines Egoisten, er messe Erfolg nicht an der Summe verdienten Geldes, sagt die First Lady. "Barack glaubt, wenn du selber durch die Tür der Möglichkeiten gegangen bist, dann schlägst du diese Tür nicht hinter dir zu. Dann bietest du anderen Leuten dieselben Chancen, die dir bei deinem Erfolg halfen."

Wer beim Wähler ankommen will, muss solche Geschichten erzählen, am besten welche, die von herben Rückschlägen und entschlossenem Sich-Aufrappeln handeln, ähnlich wie Hollywood sie über Sylvester Stallones boxenden Rocky Balboa dichtete.

Ann Romney hat vor einer Woche ihren Kampf mit einer tückischen Krankheit, Multipler Sklerose, geschildert und hinzugefügt, ihre Ehe sei gewiss nichts für die Märchenbücher, sondern etwas sehr Reales. Michelle Obama erinnert an Autofahrten in einer Rostlaube, deren Blech bereits so zerfressen war, dass man durch die Löcher den Straßenasphalt sehen konnte. An den alten Couchtisch, den Barack vom Sperrmüll holte und der sein stolzester Besitz war, als sie ihn kennenlernte. An seine einst besten Schuhe – eine halbe Nummer zu klein.

Nichts davon ist vordergründig politisch. Michelle Obama mischt sich nicht mehr direkt in politische Debatten ein. Statt etwa die Gesundheitsreform zu kommentieren, hält sie die Schüler der Nation in ihrem Feldzug gegen die Fettleibigkeit zum Sporttreiben an, wirbt mit Brokkoli-Beeten für die Vorzüge gesunder Ernährung und kümmert sich um Soldatenfamilien. Hinzukommt ihre Rolle als "Mom-in-Chief" ("Mamma der Nation"), die strenge Regeln aufstellt: Um 18.30 Uhr hat auch der Ehegatte zum gemeinsamen Abendessen mit den Töchtern Malia und Sasha zu erscheinen, egal, wie viele Akten sich gerade auf seinem Schreibtisch stapeln.

Die Amerikaner haben Gefallen gefunden an dieser modernen, modebewussten und zugleich bodenständigen First Lady. 66 Prozent bescheinigen ihr, einen guten Job zu machen (im Falle des Präsidenten ist es nur knapp die Hälfte). Vergessen die Karikatur des "New Yorker", der sie vor vier Jahren als Black-Panther-Rebellin mit Flinte, Patronengürtel und geballter Faust auf dem Titelblatt hatte. Da war sie die Karikatur der zornigen Afroamerikanerin, der Kritiker mangelnden Patriotismus unterstellten, nachdem sie bekannt hatte, 2008 erstmals in ihrem Erwachsenenleben stolz zu sein auf die USA. Es sind Kontroversen von gestern. Heute ist die Harvard-Juristin das populärste Gesicht im Weißen Haus, beliebt auch bei Republikanern der Mitte.

Zurück nach Charlotte. Die vier Jahre im Amt hätten ihren Mann nicht verändert, versucht sie den häufig zu hörenden Vorwurf präsidialer Arroganz zu entkräften. Bei aller Datenfülle, bei allen Strategiepapieren und Referentenentwürfen, am Ende müsse ein Präsident allein entscheiden. "Alles, wovon du dich in dem Moment leiten lassen kannst, sind deine Lebenserfahrungen."

(RP)
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